Trends 2022 mit Jessica Werner

In dieser Episode sprechen wir mit unserer Kollegin Jessica Werner. Wir fragen, welche Trends Innovationsverantwortliche im kommenden Jahr unbedingt beachten sollten. Im ersten Teil diskutieren wir über die Circular Economy. Rohstoffknappheit und Klimawandel verleihen diesem Trend eine strategische Bedeutung. Wie sollten Innovationmanager:innen mit dem Trend umgehen? Im zweiten Teil sprechen wir über Diversitity Awareness und fragen, ob diverse Unternehmen auch innovativere Unternehmen sind.

Peter von Aspern
Director Trend Services, TRENDONE Hamburg

Sebastian Metzner
Chief Strategy Officer, TRENDONE Berlin

Jessica Werner
Trend Analyst, TRENDONE Hamburg

TRENDONE Podcast Episode #39 Trends 2022

Kommt ins Handeln. Überprüft eure Innovationsportfolios, ob diese Themen und Trends mit aufgegriffen sind.

Transkription Podcast-Episode #39 Trends 2022 mit Jessica Werner vom 24.11.2021 | 75 Min.

Sebastian Metzner: Unser Thema lautet Trends 2022. Und weswegen haben wir uns das ganze Thema vorgenommen?

Peter von Aspern: Das ist natürlich immer der Zyklus der Trendforschung, dass man natürlich gegen Jahresende immer häufiger mit der Frage konfrontiert wird - und sich auch selbst fragt, welche Trends eigentlich im kommenden Jahr eine besondere Relevanz haben werden? Und vielleicht auch die Themen, die nächstes Jahr relevant werden, besonders prägen. Und mit dieser Frage haben wir uns natürlich auch auseinandergesetzt - und da einmal zwei Themen herausgegriffen, die wir heute in dieser Folge vorstellen wollen.

Sebastian Metzner: Die Grundfrage der Folge ist, welche Trends werden im Jahr besonders wichtig? Gerade für Innovationsverantwortliche ist natürlich wichtig, die Bedeutung zu kennen, die Auswirkungen zu kennen. Genau. Und zwei Sachen haben wir heute einmal mitgebracht. Und die wollen wir nicht alleine besprechen. Deswegen haben wir uns eine liebe Kollegin mit ins Tonstudio genommen. Jessica Werner ist heute bei uns. Jessica ist 2021 mit in unser Fünfköpfiges Analystenteam gekommen. Und Jessi, Hallo, herzlich willkommen bei uns im Podcast.

Jessica Werner: Ich freue mich auch, heute bei eurer Liveaufnahme einmal dabei zu sein.

Sebastian Metzner: Als Trendanalysten schaut ihr euch bis zu 1000 Weak Signals so im Monat an. Ein ungeheurer Trend Input. Neue Informationen kommen ständig aus unterschiedlichsten Quellen auf euch zu. Kannst du uns am Anfang einen ganz kurzen Einblick geben, was der Alltag einen Trendanalysten, einer Trendanalystin ist und was dich an der Arbeit mit Trends fasziniert? Fangen wir heute einmal damit an.

Jessica Werner: Ja, das kann ich gerne machen. Also, wie du ja schon gesagt hast, wir beschäftigen uns mit den Weak Signals. Also, mit schwachen Signalen von Wandel-Phänomenen im Sinne von konkreten Produkten oder Innovationen, Services oder Dienstleistungen, die wir irgendwie spannend finden. Mein Kollege Sandro sagt auch immer, "Dinge, die uns im ersten Moment irritieren". Und das ist ein wahnsinniger Input. Wir verbringen daher den Hauptteil unseres Arbeitstages immer damit, einfach sehr viel aufzunehmen und sehr viel versuchen zu lesen, aus allen Bereichen mitzubekommen. Wir scouten sehr breit in allen Themen. Jeder hat natürlich so seinen thematischen Schwerpunkt. Ich bin am meisten in vorrangig sozialen und gesellschaftlichen Themen unterwegs wie Planet Centricity oder Woke Culture. Während meine Kollegen dann mehr auf die neuesten Tech Themen aufspringen. Aber generell suchen wir einfach nach neuen Sachen. Wir suchen nach Sachen, bei denen wir denken, dass sie Dinge verändern und die neue Bedürfnisse aufgreifen. Und schauen dann, was wir damit machen können. Also, wir verarbeiten die Infos dann in verschiedenen Formaten. Also, wir schreiben zum einen die Micro-Trends, die man dann im Trendexplorer findet. Aber wir suchen natürlich in diesen ganzen kleinen Weak Signals auch nach Mustern. Was sehen wir irgendwie für neue Strömungen, die wir dann versuchen einzuordnen. Und das ist auch eigentlich das, was mich an Trendforschung fasziniert. Also, das ist eben ultracool. Vor allem das Privileg, sich in seinem Alltag einfach ständig mit spannenden, neuen Zukunftsthemen auseinander zu setzen und vor allem auch, seinen eigenen Schwerpunkt zu setzen. Also, ich kann selbst mitentscheiden, was erachte ich als relevant? Wo, denke ich, geht die Gesellschaft hin? Oder, wo sollten wir uns hinbewegen? Und das ist halt superspannend und gibt einem ja auch das Gefühl, man kann irgendwie positive Zukunftsimpulse setzen. Also, das finde ich einfach sehr, sehr spannend.

Peter von Aspern: Absolut. Und du bist tatsächlich die ganze Zeit an einem wichtigen Teil des Kerngeschäftes von TRENDONE dran. Weil ja unsere Arbeit ja ganz maßgeblich auf die Trendforschung aufbaut. Du hast es ja eben gerade schon gesagt, dieser Dreiklang von Micro-Trends, Macro-Trends und Mega-Trends, also, vom Kleinen ins Große, wie wir sagen. Das ist ja eine ganz wichtige Facette unserer Arbeit und spiegelt sich ja auch im Trendexplorer. Du hast es gerade erwähnt. Und ich muss das an dieser Stelle einfach noch einmal sagen, das ist ja eines unser Kernprodukte, wo diese Themen einfließen und dann auch für alle Kunden zugänglich werden. Dass jeder sich da eben sehr gut informieren kann, welche Trendthemen aktuell die wichtigsten sind und wie diese sich auch in ganz konkreten Innovationen widerspiegeln. Und im Grunde greifen wir uns heute zwei von diesen Themen einmal heraus, von denen wir glauben, dass sie im nächsten Jahr eine ganz besondere Rolle spielen werden. Wir haben die Themen jetzt beide noch gar nicht genannt. Ich greife einmal vorweg. Das eine Thema ist Circular Economy, also, das Thema Kreislaufwirtschaft, das natürlich aus naheliegenden Gründen auch jetzt schon hochaktuell ist. Und das wird im nächsten Jahr ganz gewiss so weiter gehen. Warum das so ist, das besprechen wir gleich gemeinsam. Und das andere Thema ist Diversity Awareness. Ein Thema, das vielleicht noch mehr als Circular Economy, aus einer gesellschaftlichen Dimension heraus an Relevanz gewinnt. Und das ist unser zweites Thema, über das wir heute sprechen wollen.

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TRENDONE präsentiert in Kooperation mit dem BDI die 24 wichtigsten Macro-Trends für den Mittelstand aus den Bereichen

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Der Macro-Trend Circular Economy: von der Wegwerfwirtschaft zur Kreislaufwirtschaft

Sebastian Metzner: Steigen wir einmal ein mit dem ganzen Thema Circular Economy, Jessi. Welche Entwicklung beschreibt für dich dieser Macro-Trend? Ich habe mich gefragt, warum hat die alte Wegwerfwirtschaft eigentlich ausgedient?

Jessica Werner: Ja gerne. Also, wie Peter ja auch gerade schon gesagt hat, die Circular Economy ist die Kreislaufwirtschaft. Also aktuell basiert unser Wirtschaftssystem auf so einem linearen Modell. Wir stellen irgendwelche Dinge her, wir nutzen Dinge und dann entsorgen wir sie wieder, also, Take-Make-Waste. Und das Problem dabei ist, dass auf diese Weise Güter halt bereits nach einem Nutzungszyklus, durchschnittlich 75 Prozent von ihrem Rohstoffwert verlieren. Und gleichzeitig sind sie auch noch superwenig ausgelastet. Ich finde das Beispiel mit den Autos ganz eindrucksvoll, die nur durchschnittlich zwei Prozent ihrer ganzen Lebensdauer überhaupt gefahren werden. Das heißt, wir nutzen wahnsinnig viele Ressourcen auf eine relativ inneffiziente Art und Weise. Und das Problem ist, wir Peter auch schon angesprochen hat, wir haben dieses Riesen-Klimaproblem. Wir müssen dringend unseren Konsum nachhaltiger gestalten. Und uns ist ja allen klar, dass das so nicht weitergehen kann. Wir produzieren mit dieser Art Take-Make-Waste super viel Müll. Ein Großteil davon kann nicht recycelt werden. Und wir verursachen damit einfach immense Probleme für die Umwelt. Und was noch dazu kommt ist, dass unsere Ressourcen dadurch natürlich immer knapper werden. Also, einige sehr wichtige Rohstoffe sind einfach begrenzt. Die Weltbevölkerung wächst einfach weiter. Und das heißt, dadurch steigt auch die Nachfrage von Rohstoffen weiter. Und wir kommen mit diesem linearen Modell einfach an Grenzen und verursachen einfach immense Kosten für Menschen und Umwelt. Und die Kreislaufwirtschaft oder Circular Economy steht dem einfach gegenüber und zielt darauf ab, Wirtschaftswachstum vom Ressourcenverbrauch zu entkoppeln. Also, gerade generieren wir ja Wirtschaftswachstum, indem wir neue Ressourcen einsetzen, um daraus irgendetwas generieren. Und die Circular Economy will das eben anders, in einem Kreislaufmodell versuchen. Also, in der idealen Kreislaufwirtschaft gibt es keinen Abfall. Es werden auch keine Primärrohstoffe mehr benötigt, weil wir einfach versuchen, die Lebensdauer von Gütern und von den Materialien zu verlängern oder optimalerweise auch ins Unendliche zu verlängern. Das versuchen wir durch Upgrading oder durch Reparatur, Wiederaufbereitung und auch schon im Design. Also, wir designen auch Produkte für die Circularity. Und wichtig ist auch, dass wir die Produkte und alles was wir produzieren, später wieder, wenn wir sie nicht wieder verwerten können, in die Einzelbestandteile zerlegen können. Und das am besten sortenrein und mit möglichst wenig Qualitätsverlust. Sodass wir auch die einzelnen Materialien am Ende wieder verwenden können und nichts verloren geht. Und gleichzeitig auch möglichst wenig Emissionen in dem ganzen Prozess ausgestoßen werden. Also, die Circular Economy ist theoretisch ein kompletter Systemwandel. Indem wir nicht mehr Dinge dazu produzieren, um sie zu nutzen und wegzuwerfen, sondern um sie möglichst lange in diesem Kreislauf zu halten und währenddessen weiter Wert zu generieren. Und das ist eigentlich auch eine super sinnvolle Idee für Unternehmen, weil sie damit beispielsweise auch von Rohstoffimporten unabhängiger werden können. Also, wir haben das ja auch gerade gesehen mit Lieferkettenengpässen und sonst etwas. Wenn ich versuche, die Rohstoffe, die ich schon im Kreislauf habe, immer wieder zu verwenden, werde ich einfach unabhängiger von anderen Einflussfaktoren. Aber das ist natürlich einfacher gesagt als getan. Das ist eine Idealvorstellung, die aber so nicht so einfach umzusetzen ist. Das ist uns auch klar. Man muss da halt wahnsinnig viel beachten. Man muss, wie gesagt, schon beim Produktdesign anfangen. Also zuerst ein zeitloses Design. Aber auch, welche Materialien verwende ich dafür und wie produziere ich das überhaupt? Aber auch die ganze Kette, also Beschaffung der Materialien, Transport, Lagerung, Marketing, Verkauf. Was passiert mit dem Produkt danach? Kann ich es wieder verwerten? Oder, wie kommt es wieder so zurück, dass ich es dann zerlegen kann? Wie gebe ich VerbraucherInnen die Informationen, wie sie es entsorgen können oder wie sie es recyceln können? Also, das sind einfach wahnsinnig viele Aspekte, die da mithineinspielen. Das ist ein riesiges Thema. Aber wie wir finden, superspannend, weil es einfach eine Alternative zu diesem linearen Wirtschaftssystem ist.

Peter von Aspern: Also, ich finde den Aspekt spannend, den du gerade schon beschrieben hast, dass es auch schon im Produktdesign tatsächlich ansetzt, also tatsächlich ganz weit vorne in so einem Produktentwicklungsprozess.

Jessica Werner: Genau.

Neue Alternativen vs. geplanter Obsoleszenz

Peter von Aspern: Und ich könnte mir auch vorstellen, dass das auch eine sehr gute Alternative ist zu diesem Verzichts-Mantra, das du auch oft so hast. Dass man sagt, "ja, wir müssen alle den Gürtel enger schnallen". Ich will nicht sagen, dass das falsch ist. Aber ich glaube, dass dieser Ansatz der Circular Economy, da einen sehr guten weiteren Weg uns bereitet. Dass wir tatsächlich verantwortungsvoll mit Ressourcen umgehen können, indem wir sie einfach intelligenter nutzen. Und das gar nicht unbedingt dann eben nur mit Verzicht einhergehen muss. Weil das ja oft ein Missverständnis ist, zu denken, es muss jetzt weniger oder schlechter sein. Aber das ist ja dann überhaupt gar nicht der Fall.

Jessica Werner: Ja. Also vor allem für Endkonsument*innen.

Peter von Aspern: Genau.

Jessica Werner: Da sind natürlich auch so Sachen, wie Mietmodelle oder Tauschmodelle oder what ever, ganz coole Alternativen.

Peter von Aspern: Das krasse Gegenteil ist ja im Grunde diese geplante Obsoleszenz.

Jessica Werner: Genau.

Peter von Aspern: Also das ist ja so die alte Welt, in der du sagst: "Okay, der Drucker geht halt nach 1000 Seiten kaputt. Das ist halt so einprogrammiert." Das ist halt auch wirklich krass. Es gibt ja auch wirklich so Produkte, wo du merkst, dass die eigentlich immer noch gut sind, aber man so richtig merkt, wie die Marketing-Maschinerien bei Konsumgütern sich richtig anstrengen zu suggerieren, dass dein Smartphone total alt ist und du dir auf jeden Fall ein neues holen musst, weil das neue ja viel, viel besser ist. Und da merkt man eigentlich so krass, wie sehr das eine konstruierte Marketingbotschaft ist und eigentlich gar nicht so der Fall.

Sebastian Metzner: Ja, bei allen Produkten. Der Drucker ist ein gutes Beispiel. Ich glaube, da geht es im Geschäftsmodell darum, dass du im Nachgang mit den Patronen noch viel Geld verdienst. Dann dieses Raiser Blade-Geschäftsmodell, das bei den Klingen der Rasierer so ist. Aber dort, wo du jetzt keine Verbrauchs- oder so Aftersales-Geschichten hast, da wird es halt schwierig. Aber bevor wir vielleicht noch einmal auf die Lösung kommen, will ich an dem Punkt kurz Halt machen der sich darum dreht, warum ist Circular Economy für 2022 so wichtig? Weil, ich habe mir das Thema so angeschaut und glaube, dass es zwei Kräfte hat, die sich gegenseitig parallel verstärken. Du hast auf der einen Seite diesen Market Pull, also, dieses Konsumenten-induzierte Verhalten. Die Nachfrage danach und das Bewusstsein danach steigt. Auf der anderen Seite hast du auch so eine Technology Push. Also, dass die Technologie-induzierten Dinge nach vorne getrieben werden und zum Beispiel Verfahren, die entwickelt werden. Und ich glaube, diese beiden Dinge treffen aufeinander. Ist das eine valide These, Jessi, die du treffend findest? Wie schätzt du dieses Spannungsfeld zwischen Technologie-, und Konsum-induziert ein? Ist das für dich auch so ein Beweis, dass nächstes Jahr so der Zeitpunkt dafür gekommen ist?

Jessica Werner: Ja, genau. Also würde ich so auch unterstützen. Ich glaube, dass gerade das KonsumentInnen-induzierte jetzt auch noch einmal durch die Coronakrise deutlich geworden ist. Und durch die ganzen, sehr durch die Medien gehenden Themen mit der Klimakrise und unserem 1,5-Grad-Ziel. Ich glaube, uns allen ist bewusst, dass es so nicht weiter gehen kann. Und KonsumentInnen verlangen auch nach Lösungen von Unternehmen. Und verlangen, dass Unternehmen versuchen, sich umzustellen und Schritte in die richtige Richtung zu gehen. Also, den Macro-Trend Ethical Consumption sehen wir eigentlich ja in jeder Branche. Genauso, wie ich vorhin auch schon angesprochen habe, ist uns alle auch diese Abhängigkeit von Rohstoffen noch einmal klar geworden. Und trotzdem gleichzeitig die steigende Nachfrage nach so etwas wie Computerchips oder Batterien. Das heißt, auch darauf müssen Unternehmen reagieren und irgendwie andere Wege finden. Wenn ich da nicht mehr an die Rohstoffe komme, wie kann ich dann trotzdem die Produkte liefern? Also, weil wir einfach eine steigende Nachfrage danach haben. Und gleichzeitig stimmt es aber auch, wie du sagst, wir haben beispielsweise neue Recyclingverfahren, die es uns ermöglichen, Metalle oder Elektroschrott wieder in den Kreislauf zurückzuführen. Was vorher einfach sehr, sehr aufwändig war und immer noch sehr aufwendig ist. Aber wir sehen da halt auch neue Technologien, die das überhaupt erst möglich machen. Und wir haben natürlich zudem auch noch politische Regulationen, die in den Vordergrund rücken. Aber darauf will ich jetzt gar nicht so sehr eingehen. Also, ich sehe auf jeden Fall auch da dieses Spannungsfeld. Und habe, durch alles was im letzten Jahr passiert ist, das Gefühl, dass der Druck einfach noch einmal gestiegen ist. Also, es muss jetzt einfach gehandelt werden. Und VerbraucherInnen verlangen Veränderung. Aber genau so sehen auch Unternehmen, dass sie Nachfragen nicht mehr bedienen können und da neue Wege finden müssen.

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Die Relevanz der Kreislaufwirtschaft für Energie- und Rohstoff-intensive Branchen

Peter von Aspern: Gut, dass du den Punkt dieser politischen Dimension noch einmal erwähnt hast. Die kommt tatsächlich noch einmal als dritte Kraft vielleicht dazu. Die wirklich durch die Haltung der Konsument:innen getrieben ist und dadurch auch von der Politik aufgegriffen wird. Und in Deutschland sieht man das jetzt auch an dem Regierungswechsel. Da kann man sich ja schon vorstellen, dass es auch da Richtung Kreislaufwirtschaftsgesetz geht, also einem Stichwort, dass es ja in Deutschland schon seit dem Grünen Punkt oder länger gibt. Dass auf der Ebene jetzt sicherlich noch mehr passieren wird, ist auch sicherlich zu begrüßen. Und ich glaube auch, dass dieser Punkt-, also, einmal als Beispiel Kunststoff. Wenn man das einmal herausgreift als einen Rohstoff. Der eine besondere Bedeutung unter den Produkten hat, weil Kunststoff ja an ganz vielen Stellen eingesetzt wird. Und es ist eigentlich bis jetzt auch nicht absehbar, dass du Kunststoff irgendwann ersetzen kannst. Weil, der ist einfach in so vielen Produkten drin und hat so besondere Eigenschaften, die aktuell noch nicht replizierbar sind. Und es ist eigentlich auch total krass, dass Kunststoff ein extrem wertvoller Rohstoff ist. Und wenn man sich das einmal so klar macht, dass das eigentlich ein endloser Rohstoff ist, den wir aber so schnell nicht ersetzen können, dann ist das wirklich Wahnsinn, wie wir damit umgehen. Dass wir halt Milchschnitten damit einschweißen und die dann irgendwann wegschmeißen. Das ist eigentlich Irrsinn. Dass man, auch da diese Rohstoffe gar nicht an der richtigen Stelle tatsächlich einsetzt. Ich glaube, Kunststoff ist da eben einer der Schlüssel-Rohstoffe, wo sich das alles wie so ein Brennglas darstellt.

Sebastian Metzner: Kunststoff ist ein guter Punkt, Peter. Jessi, welche Branchen sind, aus deiner Sicht, die, die eigentlich am stärksten von dem Trend Circular Economy in den nächsten Jahren betroffen sind oder verändert oder beeinflusst werden?

Jessica Werner: Ich glaube, grundsätzlich kann man sagen, dass das ein Trend ist, der für alle Energie-intensiven und Rohstoff-intensiven Branchen relevant ist. Also ich glaube gar nicht, dass man das nur in einzelnen Nischen sehen wird oder dass das nur einzelne Nischen betrifft. Also, die großen Umweltverschmutzer beispielsweise, die bekommen das ganz schön zu spüren. Also, wir haben da zum Beispiel, wie wir gerade schon gesagt haben, Kunststoffe. Wir haben aber auch die Baubranche, Elektronik, Metalle, aber auch beispielsweise die Modeindustrie, die ja laut UN auch der zweitgrößte Umweltverschmutzer ist. Also, gerade am Beispiel der Modebranche, glaube ich, sieht man es schon sehr stark. Und vor allem auch sehr plakativ und kommunikativ, wie die mit dem Trend der Circular Economy umgehen. Teilweise ja immer noch in diesem krassen Fast-Fashion-Modell, was das absolute Gegenteil ist und der absolute Gegenentwurf zur Circular Economy. Also, die Modeindustrie ist noch eine Fast Fashion Industrie. Auch, wenn H&M eine Conscious Collection macht oder irgend so etwas. Dass es einfach darauf basiert, dass wir Dinge schnell konsumieren und danach wieder entsorgen. Das Problem entsteht natürlich aber dadurch, dass jedes Jahr ungefähr 100 Milliarden Kleidungsstücke produziert werden und davon ungefähr nur zehn Prozent, da unterscheiden sich die Zahlen total, Null recycelt werden. Und aus dem Rest entstehen 2,1 Milliarden Tonnen Abfall. Das ist einfach absurd. Und wie gesagt, die UN sagt, dass die Modeindustrie der zweitgrößte Umweltverschmutzer ist. Da ist einfach dringender Handlungsbedarf. Und das haben auch KonsumentInnen gesehen und verlangen halt auch, dass Unternehmen da aktiv werden. Da gibt es auch schon Bestrebungen. Da gibt es auch ganz spannend zu sehen, neue Arten des Designs oder Recyclingmaschinen, wo sich auch verschiedene Modehändler und Textilhändler zusammentun. Genau so sehen wir das aber auch generell in allen Branchen mit knappen Rohstoffen. Weil Recycling dann irgendwann günstiger sein wird, als neue, seltene Rohstoffe zu kaufen. Aber wie gesagt, auch Elektronik, Metall, gerade mit so einer Chip-Knappheit, muss man auch irgendwie schauen, ob man dann eher Altgeräte verwendet? Aber wir sehen das, zum Beispiel, auch in der Lebensmittelindustrie. Also auch die immense Menge an Lebensmittelabfall. Was können wir damit machen? Das kann auch eine wertvolle Ressource sein, um andere Dinge daraus wieder zu produzieren. Also, ich kann dir gar nicht sagen, welche Branche das am stärksten beeinflussen wird. Die Branchen, die den meisten Energieaufwand haben, sind wahrscheinlich am stärksten davon betroffen oder haben auch das stärkste Aktionspotenzial. Aber ich glaube, dass man das in allen Branchen sehen wird.

Peter von Aspern: Es entstehen ja auch ein Stück weit neue Branchen. Beziehungsweise, es gewinnen zum einen Branchen, wie eben die Abfallwirtschaft, an Bedeutung, wo ja auch viel an Recyclinginnovation zu beobachten ist. Und was auch spannend ist, es gibt ja auch so neue Start-ups, die sich tatsächlich nur mit solchen Themen beschäftigen. Ich habe einmal zwei, die spannend sind. Einmal Redwood Materials, wo, glaube ich, ein Ex-Ingenieur von Tesla mit drinsteckt. Die beschäftigen sich eben nur mit dem Thema Batterie-Recycling, das ja logischerweise in den nächsten Jahren auf uns zukommen wird. Weil, da sind ja wirklich pikante Rohstoffe drin, die man besser nicht im Hausmüll entsorgen sollte und die auch endlich sind und wieder für neue Batterien brauchen wirst. Also, das ist auf jeden Fall ein Milliardenmarkt, der da auch entsteht. Und dann gibt es auch so Firmen wie Quantafuel. Die kommen aus Norwegen und sind auch interessant. Die versuchen im Grunde, aus Plastikabfällen aus dem Meer, auch wieder Rohstoffe oder Energieträger zu generieren. Weil du kannst das Plastik auch wieder zurückverwandeln in den Ursprungsstoff, also schaffst es, sortenrein zu trennen. Dann kannst du da eben wieder komplett neue Materialien daraus rekonstruieren. Und das finde ich auch interessant, dass da eben auch neue Player entstehen und das auch ein guter Markt werden wird. Jetzt nicht schon direkt nächstes Jahr, aber es zeichnet sich jetzt schon ab. Weil diese Start-ups sind ja im Grund auch immer gute Weak Signals.

Sebastian Metzner: Klar.

Peter von Aspern: Und da tut sich auch Einiges.

Welche Innovationen wird der Trend Circular Economy hervorbringen?

Sebastian Metzner: Ja, ist eine gute Brücke. Wir haben vorhin über die Weak Signals gesprochen. Ich weiß, dass der Kopf von euch Analysten voll mit diesen weltweiten Start-ups ist. Du kannst gerne ein Peter noch einmal anknüpfen. Weil die Frage ist, welche Innovationen/Micro-Trends werden wir denn in den nächsten Jahren oder vielleicht schon Monaten wirklich hier am Markt sehen, die auf diesen ganzen Trend Circular Economy aufsetzen werden?

Jessica Werner: Ich glaube, ganz viel. Also ich glaube, es wird ganz viele so kleine Beiträge zur Kreislaufwirtschaft geben. Wie gesagt, bräuchte es für eine tatsächlich Kreislaufwirtschaft ja einen Systemwandel. Das schaffen natürlich auch so einzelne neue Innovationen oder Start-ups nicht. Aber ich glaube, wir werden ganz viele kleine Beiträge sehen. Also, was wir beispielsweise sehen, was ich auch vorhin schon einmal kurz angesprochen habe, ist das Recht auf Reparatursachen und dafür einfach bequeme Möglichkeiten. Also, Unternehmen werden uns anbieten und sehr viel leichter machen, Dinge zu reparieren und dadurch einfach die Lebensdauer zu erhöhen. Zum Beispiel kann ich mir per Videocall Hilfe holen, um meine Waschmaschine selbst zu reparieren. Weil es sonst viel teurer wäre, einen Fachexperten oder eine Fachexpertin kommen zu lassen die mir das reparieren, als mir dann eine neue zu kaufen. Also, das Bewusstsein verändert natürlich auch das Geschäftsmodell von Waschmaschinenverkäufern komplett, weil sie dann plötzlich neue Dienstleistungen statt Hardware anbieten. Aber das geht auch weiter. Dass mir Zalando dabei hilft, lokale Änderungsschneidereien zu finden und ich deren Logistik nutzen kann. Ich schicke das einfach zurück, wenn das ein Loch hat oder mir zu lang ist. Und die schicken das an eine Änderungsschneiderei und dann bekomme ich das wieder zurück. Also da entstehen auch so Infrastrukturen, glaube ich, die mir das als Endverbraucherin, im Kleinen, einfacher machen, in dieser Kreislaufwirtschaft zu agieren. Oder alleine, dass Apple jetzt Ersatzteile zur Verfügung stellt und da nicht mehr so ein Geheimnis darum macht und ich das einschicken muss. Sondern, ich kann das auch selbst reparieren, wenn ich dazu die Fähigkeiten habe. Also ich glaube, wir werden in der Richtung viel sehen. Zum einen, dass wir wieder lernen, Dinge zu reparieren. Aber, dass uns das auch einfacher gemacht wird, weil wir sonst dafür auch einfach zu bequem sind. Das ist uns auch allen klar. Außerdem, das ist jetzt auch schon länger ein Thema, dieses Weg von Besitz-Thema. Also, dass ich vielleicht auch gar keine eigene Waschmaschine mehr besitzen möchte. Gerade in der jüngeren Generation sehen wir das ja total. Oder auch, so etwas wie, "ich will kein eigenes Fahrrad mehr besitzen", beispielsweise "und auf gar keinen Fall ein Auto in der Stadt besitzen". Also, auch das werden wir sehen. Und was ich auch superspannend finde, dass wir Dinge sehen werden und sich einige Sachen durchsetzen werden, die für Transparenz sorgen. Weil Transparenz ist halt super wichtig, und diese Kreislaufwirtschaft überhaupt möglich zu machen. Ich muss wissen, was ist in den Produkten drin, um sie später richtig zu entsorgen und sie recyclebar zu machen. Und auch die Abfallwirtschaft muss das wissen. Also, dass dann beispielsweise QR-Codes in meinen Adidas-Schuhen sind, die mir sagen, das und das ist da drin, zerlege die Schuhe so und so. Also mach die Schnürsenkel raus und dann kannst du das so richtig entsorgen. Diese Infos brauchen wir einfach. Weil, wir haben wir aktuell nicht. Wir machen das irgendwie alles so auf gut Glück oder denken da halt nicht groß darüber nach. Und ich glaube, wir werden in der Hinsicht viel sehen. Dass wir über so etwas Simples wie QR-Codes, einfach an Informationen kommen. Und am Ende auch, da natürlich einen Schritt weitergedacht, dass die Entsorgungsunternehmen über eingebaute IDs, das dann auch einfacher sortieren können und da am Ende weniger unsortierter Müll einfach entsteht. Und dann werden wir natürlich auch verschiedene Sachen bei Recycling-Innovationen sehen, die sich weiter durchsetzen. Also, da haben wir gerade ganz viele spannende Einzel-Cases. Wie wir enzymbasiert Kunststoff recyceln können oder auch Mischtextilien über Enzyme wieder zerlegen können. Oder, über KI unseren Abfall besser sortieren können und das autonom passiert. Also, da sehen wir so in ganz vielen kleinen Schritten entlang der Lieferkette, spannende Innovationen, die natürlich am Ende alle zusammenspielen müssen.

Peter von Aspern: Eine Rückfrage noch einmal. Fast Fashion, so wie es in der Vergangenheit war und Zara, Inditex, H&M groß geworden sind, ja wirklich dieses Mantra gaJessica Werner: "Ja, kauf dir doch am besten alle drei Monate oder noch schneller neue Mode und schmeiß den alten Krempel weg." Und das produzieren wir alles ganz billig in Bangladesch oder so und schiffen das hier rüber. Und so läuft das dann. Und das ist tatsächlich jetzt Kern deren Geschäftsmodell gewesen. Also glaubst du jetzt, für eine zukünftige Entwicklung wird es so sein, dass man dann halt sagt, "okay, wir machen das so weiter, aber wir versuchen eben dann, die entstandenen Modeabfälle recyceln"? Oder glaubst du, dass es schon so weit geht, dass das gar nicht mehr so gewünscht ist und Mode an sich halt nachhaltiger wird, weil sie vielleicht zeitloser, länger tragbar, wie auch immer, wird so. Weil, ich habe mich gerade gefragt, wie schnell sich so ein Kreislauf dreht? Und der dreht sich halt ganz schön schnell und hat natürlich dann auch durch Logistikkosten auch weiterhin einen so krass negativen Footprint dann wahrscheinlich.

Jessica Werner: Genau. Ich kann dir das gar nicht so einfach beantworten. Also, das ist ja eine riesige Industrie. Und natürlich wäre irgendwie die Idealvorstellung, dass die KonsumentInnen sagen: "Ich will das gar nicht mehr unterstützen. Ich kaufe zeitlosere Mode und hochwertige Qualität." Aber da sprechen wir aus einer superelitären Blase. Das ist für viele Menschen gar nicht möglich. Dass ist auch vielen Menschen natürlich immer noch nicht so präsent. Aber ich glaube trotzdem, dass es da so einen Shift geben wird, weil der Druck auf die Unternehmen trotzdem groß ist. Es gibt ja schon so Recycling-Initiativen von den großen Unternehmen. Die reichen aber halt weitaus nicht aus und sind oft, wenn wir ganz ehrlich sind, einfach so Greenwashing aus Imagezwecken. Und dadurch, dass aber KonsumentInnen so etwas immer stärker hinterfragen und auch aufdecken-. Also, letztens, ich weiß nicht, ob ihr das mitbekommen habt, da haben die als Testschuhe entsorgt. Ich weiß gar nicht mehr von welcher Zeitung das war. Aber die haben praktisch Schuhe, die mit einem GPS-Sender versehen waren, in diesen Altkleidercontainer gesteckt und haben dann geguckt, was mit denen passiert. Weil die sagen mir, die entsorgen die oder die recyceln die. Aber am Ende sind die auf einer Mülldeponie gelandet. Und das war aber halt ultra in den Medien. Und so etwas, glaube ich, wird immer mehr kommen. Und dadurch müssen Unternehmen gucken, dass sie mehr machen, als so eine Recyclingtonne aufzustellen, für die ich dann wieder zehn Prozent bekomme auf meinen neuen Einkauf.

Sebastian Metzner: Ist auch pervers eigentlich.

Jessica Werner: Ja, total. Also ich glaube, da wird mehr Substanz dahinter sein. Es wird sich trotzdem nicht direkt die ganze Industrie komplett wandeln. Weil, wir haben gerade über 60 Kollektionen pro Jahr, bei so etwas wie H&M. Also, das müsste komplett umgestellt werden. Und um nachhaltigere Kleidung zu machen, steigen natürlich auch die Kosten. Das ist nicht für alle Leute einfach möglich ist, nur von nachhaltigen Brands zu kaufen.

Peter von Aspern: Das ist wahr.

Jessica Werner: Also ich glaube, das wird beides passieren. Also wir werden irgendwie mehr Initiativen von den großen Unternehmen sehen, die aber trotzdem noch eher in ihrem Fast Fashion Modell bleiben. Ich glaube nicht, dass das im nächsten Jahr oder in den nächsten fünf Jahren ausstirbt. Aber trotzdem sehen wir auch da, dass dann zum Beispiel versucht wird, das Recycling besser zu machen. Oder, es gibt zum Beispiel auch so Innovationen, wie schmelzende Garne oder so. Also, das heißt, wie kriege ich am Ende die Teile auch wieder auseinander? Und dass ich nicht so eine Jeans einfach im Gesamten wegschmeiße und die nicht wiederverwertbar ist. Wie kriege ich die Knöpfe heraus? Wie kriege ich das Garn heraus? ich glaube, auch so etwas wird aus dem Nischenbereich der nachhaltigen Mode, mehr in die Fast Fashion Branche auch rein gehen und dann wird sie hoffentlich ein bisschen weniger fast.

Wo steht das Thema Materialinnovation?

Sebastian Metzner: Also Materialinnovation ist ja ein spannendes Thema. Wenn man sich mit diesem deutschen Blick die Frage stellt, und dann vielleicht auf Deutschland schaut und einschätzt, wie weit ist das Thema jetzt? Ich habe einmal vorrecherchiert. Ein niedriger, zweistelliger Prozentbetrag an Sekundärrohstoffen, der hier wieder eingesetzt wird. Im Vergleich sind die Niederlande da besser. Und Peter, weil du gerade gefragt hast, nach der Fast Fashion und den großen internationalen Brands, die da mitmischen. Ich glaube nicht, dass von denen dieser Trend extrem nach vorne getrieben wird. Wenn man sich ein bisschen die Erfolgsmechanismen in den Niederlanden anguckt, sind es vor allen Dingen die Gemeinden, die sich sehr, sehr stark dezentral organisieren und dort auch engagieren. Und deswegen würde ich fast schon sagen, sind die Niederländer so ein bisschen der Europameister in der Kreislaufwirtschaft. Und was es so vorantreibt sind schon ein Stück weit auch die Einzelinitiativen und weniger die globalen Brands. Aber das ist insgesamt eine spannende Frage. Weil, nachdem wir das Thema so ein bisschen aufgedröselt haben, Peter, wie schätzt du das ein? Wenn wir als Trendforscher und als Innovationsberater uns Trends angucken, dann machen wir das immer mit so einem Blick auf die Auswirkungen und die Mainstream-Adaption. Dann kommen wir am Ende zu so einer Einschätzung, die wir immer in Act, Watch und Prepare einteilen. Wie auch in unseren Trendradaren so drin ist. Peter, was ist deine Einschätzung und was machen jetzt die Innovationsverantwortlichen mit dieser Information, mit diesen Trends? Wie geht es eigentlich dann weiter?

Peter von Aspern: Ja genau. Also, wir haben ja im Grunde diese Trendradar-Logik, die du eben auch schon so angerissen hast, wo wir in Act, Prepare und Watch unterscheiden. Und wir sehen das Thema Circular Economy ganz klar als Eckthema. Nicht nur weil wir uns das wünschen und das so sein sollte, sondern weil es tatsächlich ja auch so ist. Jessi hat es ja eben auch schon sehr gut beschrieben. Zum einen, dass tatsächlich der Diffussionsgrad beziehungsweise Reifegrad dieses Themas schon sehr weit fortgeschritten ist. Du siehst eben schon, dass dieses Thema in einer relativ breiten gesellschaftlichen Schicht auch aktiv nachgefragt wird und das eben tatsächlich zu einer Anforderung an Unternehmen wird. Also, das ist sicherlich ein ganz wichtiger Treiber. Dann haben wir aber natürlich auch die klaren politischen Rahmenbedingungen, wo man davon ausgehen muss, dass hier weitere Anforderungen an die Unternehmen gestellt werden, auch durch die EU. Jetzt natürlich auch getrieben durch die Themen der Klimapolitik. Und zum anderen natürlich auch der Impact, der eben auch so auf der Kostenseite dann für Unternehmen relevant ist. Weil ich glaube, dass am Ende des Tages, so traurig das vielleicht auch sein mag, natürlich solche Themen wie Kosten oder wirkliche Umsatzeinbußen, wenn man solche Themen nicht verfolgt-. Das sind ja die Themen, womit du die Unternehmen ja am Ende kriegst und wo dann Dinge anfangen, sich zu bewegen. Und ich glaube, es wird eben extrem wichtig werden, auch aus innovationsverantwortlicher Sicht zu schauen, wie betrachte ich das eben? Jetzt nicht nur als Kostenfaktor, dass ich jetzt sage, okay, das sind jetzt neue Anforderungen, die muss ich jetzt hier irgendwie internalisieren, das aber möglichst kostengünstig. Sondern, das ist tatsächlich auch eine Frage, die man sich eben auch auf Geschäftsmodellebene zum Beispiel anschauen kann. Wo ich mir die Wertschöpfungskette genau anschauen muss. Wo ich mir Verfahren, Technologien auch anschauen muss. Um dann eben zu gucken, wie kann ich dieses Thema tatsächlich auch bei mir im Geschäftsprozess integrieren, um damit vielleicht auch Wettbewerbsvorteile zu haben? Also weil, wie du eben auch erkennst, dass Rohstoffe auch wertvolle Ressourcen sind, die eben endlich sind. Dann wird es tatsächlich irgendwann strategisch auch ein Thema sein, dass man sich eben auch einen Zugang zu diesen Rohstoffen sichert. Und das kann man zum einen natürlich auch dadurch, indem man eben einmal Teil der Rückgewinnung von solchen Rohstoffen wird. Also einfach so als ein Beispiel, das aber schon sehr gut aufzeigt, dass dieses Thema eben, alleine aus ökonomischer Perspektive, an Relevanz gewinnen wird. Also von daher ist es auf jeden Fall ein ganz klares Act-Thema aus unserer Sicht.

Sebastian Metzner: Und Act heißt dann, dass sich die Innovationsverantwortlichen ganz klar mit dieser strategischen Relevanz auseinandersetzen?

Peter von Aspern: Absolut. Im Grunde geht es ja fast schon weiter. Also, Act heißt ja tatsächlich Handeln. Prepare wäre jetzt, wenn man sagt, "wir sollten dieses Thema einmal tiefer untersuchen und uns mit diesen Facetten dieses Trends vertraut machen und Überlegungen anstellen, was das denn für uns bedeutet". Bei Act ist es tatsächlich schon so, dass man hier tatsächlich überprüfen sollte, inwieweit man eigentlich in seinem Innovationsportfolio dieses Thema tatsächlich adressiert? Also gibt es aktuell schon Initiativen oder Projekte, die auf dieses Thema einzahlen. Und wenn nicht, dann sollte das auf jeden Fall einmal ernsthaft hinterfragt werden, wie ich es eigentlich schaffe, dieses Thema in meiner Innovationsstrategie zu adressieren? Also, das würde ich schon so sagen. Weil auch gerade in der Fertigungsindustrie natürlich, brauchst du ja auch gewisse Vorlaufzeiten, um solche Dinge dann auch wirklich so hochzuskalieren, dass du dann auch einen Massenmarkt bedienen kannst. Und von daher brauchst du jetzt auf jeden Fall diesen Startschuss, um das da auch zu adressieren. Um dann eben auch handlungsfähig zu sein, wenn es dann wirklich im Mainstream angekommen ist.

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Von Trends zu Innovationen mit systematischem Trendmanagement

Sebastian Metzner: Ja. Also, der Appell von dir ist hier: Kommt ins Handeln. Überprüft eure Innovationsportfolios, ob diese Themen oder dieser Trend mit aufgegriffen ist. Was machen Unternehmen, die jetzt feststellen, das ist nicht enthalten. Wie sollten die vorgehen?

Peter von Aspern: Ja, das ist eine gute Frage. Also, der Trend ist ja heute schon hinreichend beschrieben worden. Im Grunde wäre jetzt der erste Schritt tatsächlich, dass du dir eben anschaust, welche Impacts könnte dieser Trend denn auf meine Branche haben? Das ist immer ein erster guter Schritt, dass man sich einmal da vertraut macht. Welche Innovationen gibt es beispielsweise schon, die ich in meinem Umfeld beobachten kann oder die auch für Zulieferer relevant sind? Was passiert auf Nachfrageseite? Dass ich mir erst einmal einen Überblick verschaffe. Und dann geht es eben darum, auch zu schauen halt, wie könnte ich jetzt dieses Thema in mein Unternehmen übertragen? Zum Beispiel durch ein Innovationsfeld. Dass ich mir eben die Frage stelle, was sind da die Marktchancen? Was verlangen die Konsumenten von mir? Welche technologischen Möglichkeiten gibt es? Und kann ich daraus für mich eine Innovationsfeld ableiten, um dieses Thema entsprechend nach vorne zu treiben beziehungsweise dieses Thema einfach mitzuintegrieren? Und das sollte auf jeden Fall die Maßgabe sein, dass man da eben tatsächlich auch schon auf Innovationsfeldebene unterwegs ist. Und eben nicht nur im Trendradar stehen bleibt und sagt, "ja, ich habe verstanden, das ist wichtig, wir machen dann irgendwann einmal etwas". Sondern, man sollte da jetzt schon wirklich dann in diese Innovationsfeldlogik einsteigen und das tatsächlich auch vorantreiben.

Sebastian Metzner: Ja Um den strategischen Impact noch stärker zu verdeutlichen, mit den Experten und den Stakeholdern im Unternehmen abzustimmen, und diese Trends einfach zu unterstreichen. Obwohl der Schmerz jetzt vielleicht noch nicht da ist, den du ja vorhin beschrieben hast. Aber in gewissen Branchen ist er sicherlich schon da und da wird auch schon krass gehandelt. Ich glaube aber, das wird für eine Vielzahl von Branchen, die da mit drin sind, ein Thema. Das hatten wir vorhin ja durch Jessi betont. Mir ist in der Vorbereitung noch ein wichtiger Punkt aufgefallen, über den ich gestolpert bin. Ich habe gelesen, dass Aldi als Lebensmitteldiscounter, ich glaube im Oktober war es, die Initiative ergriffen hat, und mit der Interseroh Gruppe eine Kooperation gegründet hat. Da steckt Alba dahinter. Die Konzernmutter ist Alba Recycling, eine große Firma in Berlin, Ich glaube, die machen sogar ein gemeinsames Venture, wo es vor allen Dingen darum geht, diese typischen Lebensmittel- und Verpackungenswertstoffe, die dort entstehen, besser zu handeln. So ein bisschen ist das der Einstieg in die Kreislaufwirtschaft von diesem großen Lebensmitteldiscounter. Jessi, ich habe mich gefragt, welche Rolle spielen so Partnerschaften oder noch ein Stückchen weitergedacht, Ökosystemansätze, aus deiner Sicht? Weil, im Lebensmittelbereich bist du ja Händler. Und du machst es ja als typischer Händler, als Discounter, ja nicht alleine. Partnerschaften werden immer wichtiger. Lass uns vielleicht noch einmal auf das Thema eingehen: Die wichtigsten Partnerschaften und Ökosysteme in dem Zusammenhang mit der Kreislaufwirtschaft.

Jessica Werner: Ja. Gutes Thema auf jeden Fall, dass du noch einmal ansprichst. Weil, das habe ich vorhin auch kurz einmal angesprochen, dass es die Grundlage und elementar ist. Ich glaube, Kreislaufwirtschaft, das muss uns allen klar sein, geht nicht alleine. Also, ich kann nicht als Einzelunternehmen oder als Lebensmittelhändler jetzt sagen, "ich mache jetzt die Kreislaufwirtschaft für mich alleine". Da spielen ganz viele Sachen hinein. Also, das ist zum einen der Transparenzgedanke. Also, ich muss erst einmal in meiner ganzen Lieferkette und in meinem ganzen System sorgen für Transparenz sorgen. Also, ich muss schauen, dass ich alle Informationen bekomme von allen Zulieferern und allen, die beteiligt sind. Und diese Information auch weiter geben an KundInnen, an Verwerter, Recycler und so weiter. Also, ich muss, vor einer Partnerschaft am besten, sowieso einfach, mit allen kommunizieren. Und dann ist es einfach sehr smart, um das voranzutreiben, Partnerschaften einzugehen. Und wir sehen das auch in Zusammenschlüssen, in Initiativen beispielsweise in der Textilbranche, dass sich eben mehrere Textilhändler auch zusammenschließen und schauen, was können wir machen, um besser zu recyceln? Also, für mich sind Partnerschaften oder eigentlich noch besser, ganze Ökosysteme grundlegend. Also, es braucht eine Vernetzung und es braucht einen Informationsfluss. Und eigentlich auch eine Schulung von allen Beteiligten Stakeholdern, um die Kreislaufwirtschaft tatsächlich erfolgreich anzugehen, weil sonst kann ich das nicht machen. Ich kann nicht sagen, ich möchte alles recyceln, aber niemand weiß, was da eigentlich drin ist und wohin ich das dann eigentlich bringe und keine Ahnung. Also, das ist einfach ein Thema, was man zusammen angehen muss.

Sebastian Metzner: Ja. Also, dass Innovationsverantwortliche auch über die eigenen Grenzen hinausdenken, Unternehmensgrenzen, andere Industrien auch gehen müssen. Das ist auf jeden Fall eine wichtige Fähigkeit und elementar, um diesen Trend hier in die Umsetzung zu bringen. Ist das der erste Schritt? Ich glaube, du hast Recht, Peter, dass man zuerst einmal nach Innen schaut, aber dann nach Außen gucken muss, als Innovationsverantwortlicher?

Peter von Aspern: Ja. Ja. Absolut. Ich habe mich gerade gefragt. Das ist für die Dynamik auch interessant. Weil natürlich dann diese größeren Unternehmen, die die großen Lieferketten steuern und verantworten, die haben natürlich auch eine besondere Verantwortung, darauf zu schauen, dass da entsprechend eben diese Transparenzen vorliegen. Und die müssen das natürlich von ihren Partnern auch einfordern. Was wahrscheinlich ein bisschen dazu führt, dass dann größere Unternehmen wie Aldi, Lidl, diesen Druck halt natürlich auch weiter reichen. Ich will es jetzt gar nicht unterstellen, aber ist natürlich schon so ein bisschen so. Dass man sagt: "Ja, also, unsere Kunden möchten jetzt gerne, dass das alles irgendwie hier nachhaltiger vonstattengeht. Bitte, liebe Lieferanten, das ist jetzt eine neue Anforderung, macht das bitte einmal. Die Kosten bleiben aber bitte so." Und dann hast du natürlich so eine Kette, das ist ja klar. Also, es wird so ein bisschen dann nach unten getreten. Und da, glaube ich, muss man auch so ein bisschen hingucken, was da wirklich dann hintenraus passiert. Ich glaube, deshalb ist das Thema Transparenz da sehr wichtig. Aber tatsächlich braucht es dann da auch diese smarten Lösungen, die ja auch an vielen Ecken und Enden entstehen. Dass du dann eben auch in der Lage bist, das tatsächlich auch kosteneffizient durchzuführen. Weil, das ist natürlich schon so eine große Challenge. Weil es ja immer ein bisschen so ein Zwiespalt ist, wenn man ganz ehrlich ist, dass eben Konsument:innen sicher Vieles immer wünschen, aber am Ende des Tages der Geldbeutel dann auch mitentscheidet. Und du hast jetzt eben auch schon gesagt, es darf ja nicht so eine elitäre Frage sein. Kann ich mir das leisten, jetzt besonders nachhaltig zu konsumieren? Also, wer das kann, sollte das natürlich gerne machen. Aber den großen Effekt für unseren Planeten erzielen wir ja nur, wenn wir es schaffen, da eben ganz viele Menschen mitzunehmen. Und das ist natürlich immer so eine größere Fragestellung, die man halt auch lösen muss und wo man auch genau beobachten muss, wie sich Unternehmen tatsächlich dann auch verhalten.

Sebastian Metzner: Ja, eine große Bandbreite an Themen.

Peter von Aspern: Ja.

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Der Macro-Trend Diversity Awareness

Sebastian Metzner: Kommen wir zum zweiten Macro-Trend, den wir in diese Folge mit einbringen wollen. Und der heißt Diversity Awareness. Ein Thema, was sehr, sehr groß und auch fast genau so komplex ist, wie das Thema Circular Economy, glaube ich. Jessi, lass uns doch einmal mit dem Thema starten. Welche Entwicklungen sehen wir hier vor uns, was sind eigentlich die Veränderungen, die diesen Trend gut beschreiben?

Jessica Werner: Genau. Also, um es vielleicht erst einmal ein bisschen greifbarer zu machen. Es geht bei Diversity Awareness grundsätzlich darum, dass man erkennt, dass Menschen unterschiedlich sind und dass sie damit einhergehend unterschiedliche Bedürfnisse haben. Und vor allem, und das finde ich eigentlich den wichtigsten Punkt, dass man diese Vielfalt und diese Unterschiede zwischen Menschen wertschätzt. Und wir sehen, dass das immer stärker wahrgenommen wird in der Gesellschaft. Also, dass Unterschiede und die Diversität, unterschiedliche Ausgangspunkte und Perspektiven von Menschen, stärker wahrgenommen werden. Und dass, auch mit der Corona-Pandemie wieder aber auch generell, immer mehr auch so Versäumnisse bisher und Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen offensichtlich werden. Und Menschen das aufdecken, hinterfragen und einfordern, dass das so nicht weiter gehen kann, sondern wir eben Chancengerechtigkeit herstellen müssen. Und dafür braucht es beispielsweise im Arbeitskontext ein inklusives Umfeld. Aber wir brauchen auch Inklusion in der Infrastruktur. Wir brauchen ein inklusives Produkt und Servicedesign und so weiter. Also, wie du gesagt hast, ist es ein super breites Thema. Wenn wir hier in Deutschland, oder generell auch immer vom Schlagwort Diversity oder meinetwegen auch Diversity Equity und Inclusion sprechen, dann sprechen wir davon ganz oft als so eine Recruiting-Sache. Aber es ist viel mehr als das. Es ist ein übergreifendes Thema. Was sich zum einen natürlich intern in der Gestaltung von Teams und im Recruiting zeigt, aber eben auch extern. Wie gestalte ich meine Angebote? Wie kommuniziere ich beispielsweise? Und generell in unserer Gesellschaft, wie gestalten wir unsere Infrastruktur, Bildung, alles? Wie gehen wir mit dieser Diversität der Gesellschaft um, um Chancengerechtigkeit herzustellen. Um dadurch letztendlich für Inklusion zu sorgen. Dafür braucht es erstmal dieses Bewusstsein, das ist ganz grundlegen. Aber damit hört es eben auch nicht auf.

Sebastian Metzner: Bei einigen Unternehmen hat man ja manchmal das Gefühl, dass es nicht nur ein Recruitingthema ist, sondern fast so ein social Media Thema ist. (Jessica Werner: Total.) Dass man sich quasi überbietet, ja, unser Firmenlogo ist jetzt auch regenbogenfarben. Guckt mal. Das ist teilweise auch echt plump, wie Unternehmen da auf den Zug aufspringen und das im Kern gar nicht so begriffen haben.

Peter von Aspern: Ja. Einige Unternehmen die ich kenne, die haben sehr bewusst überlegt, sollen wir unsere Logos gerade in den Pride Months in den Regenfarben gestalten? Die haben gesagt, nein, wir sind intern noch nicht so weit. Wir sollten diesen Schritt nicht machen. Da gab es sicherlich auch Auseinandersetzungen, die da leichtfertige Ergebnisse dann doch mal stärker hinterfragt haben. Ja, es ist auf jeden Fall ein Thema was natürlich in der Aufmerksamkeitsökonomie hoch gehandelt wird. Ich frage mich halt in der Tat, welche Rolle spielen so tipping Points? 2020 der gewaltsame Tod von George Floyd in Minnesota war, glaube ich, so ein tipping Point in der Vergangenheit. Ich frage mich, was sind auch gerade in Deutschland andere tipping Points, um dieses Thema noch weiter nach vorne zu treiben. Wird das Thema von tipping Points getrieben, Jessi?

Jessica Werner: Ich denke, auf jeden Fall. Also ich meine, das können wir ja auch eigentlich nicht leugnen, dass diese tipping Points ausschlaggebend sind. Natürlich wäre das ideal, wenn uns das allen schon lange bewusst ist und wir uns damit schon vor zehn Jahren auseinandergesetzt hätten. Aber es ist uns allen klar, dass gerade dieses Diversity-Thema durch den Tod von George Floyd, was ja kein deutsches Thema war, aber einfach so durch die Medien ging, dass eben auch wir in Deutschland gemerkt haben, okay, anscheinend gibt es immer noch viele Ungleichheiten, Ungerechtigkeiten und Rassismus. Auch wenn wir das nicht sehen wollen. Gerade in Deutschland haben wir das, glaube ich, ein bisschen wegignoriert und solche Ereignisse sind auf jeden Fall prägend. Aber da gab es ja auch andere Themen. Beispielsweise Polizeigewalt. Dann die Diskussion über die Studie über die Polizei in Deutschland war auch nochmal ein brisantes Thema. Das führt uns das nochmal vor Augen. Und führt natürlich auch auf social Media zu viel Content, viele Aktivist*innen werden da aktiv und teilen auch eigene Geschichten. Uns ist allen klar, dass wir das Thema ein bisher ein bisschen vernachlässigt haben. Solche großen Ereignisse-. Oder auch Shitstorms meinetwegen. Es gab ja auch einmal diese WDR-Sendung, ich weiß nicht, ob ihr euch daran erinnert, wo Dinge gesagt wurden von bekannten deutschen Prominenten. Black facing Geschichten erzählt wurden. Was für riesige mediale Aufschreie gesorgt hat. Wir werden dafür einfach durch solche tipping Points in der Gesellschaft sensibilisiert und es gibt lautere Aufschreie, wenn was schiefläuft. Und dadurch steigt natürlich der Druck. Dadurch steigt einmal der Druck von den Medien so was nicht mehr zu produzieren. Aber auch auf Unternehmen, dass sie sich mit diesen Themen auseinandersetzen müssen. Dass gerade die junge Generation das einfordert und man da nicht einfach sagen kann, nein, das ist in Deutschland nicht so ein Thema.

Peter von Aspern: Du hast eben den Begriff Chancengerechtigkeit benutzt. Da würde ich gerne nochmal drauf eingehen. Es gibt ja Chancengleichheit. Das ist ja ein Begriff der oft in der Politik auftaucht, als so eine Grundprämisse, wir müssen mehr Chancengleichheit zum Beispiel im Bildungssektor herstellen. Stichwort soziale Durchlässigkeit. Du sprichst ja jetzt ganz bewusst von Chancengerechtigkeit. Vielleicht kannst du das nochmal erklären, was du damit meinst und was der Unterschied ist zum Begriff Chancengleichheit.

Jessica Werner: Ich verwende den Begriff immer sehr bewusst. Ich sage sehr bewusst Chancengerechtigkeit und nicht Gleichheit, weil das eben genau der Punkt ist, dass man sich bewusst sein muss, dass Menschen unterschiedlich sind. Und nur, weil ich fünf verschiedenen Menschen die gleiche Chance gebe, haben sie nicht dieselben Ausgangsvoraussetzungen. Deswegen ist es am Ende nicht eine gerechte Verteilung, weil Menschen ganz unterschiedliche Startpunkte haben. Es gibt so ein Bild, da stehen fünf Personen vor so einer Mauer. Das Ding ist, dass natürlich manche Menschen größer sind und manche sind kleiner. Und am Ende steht da halt jeder ebenerdig davor und jeder hätte jetzt die gleiche Chance darüber zu kommen. Aber das ist am Ende nicht die gleiche Chance. Wenn du zwei Meter groß bist oder 1,50 ist es vielleicht für die 1,50 Person schwieriger da rüber zu kommen. Und dann muss ich vielleicht manchen Menschen einen kleinen Hocker geben oder so, damit sie am Ende halt eine gerechte Chance haben, da auch rüber zu kommen. Das müssen wir in der Gesellschaft, finde ich, noch ein bisschen lernen, dass wir einfach nicht die gleichen Voraussetzungen haben. Und nur, weil ich dann versuche allen Menschen das Gleiche zu geben, haben wir nicht die gleichen Outputs. Ich selber zum Beispiel bin einfach in einer privilegierten Situation gestartet, weil ich aus einer deutschen, weißen Familie komme. Uns ging es nie schlecht. Ich hatte jede Möglichkeit zur Bildung. Das ist einfach ein Privileg. Damit hatte ich eine ganz andere Startposition als andere Menschen.

Peter von Aspern: Das ist auch sicherlich ein Punkt, wo man hier in Deutschland sich seinen Privilegien bewusster wird. Man wird sensibilisiert für dieses Thema. Es ist eher ein sehr weiches Thema. Gibt es denn auch quantitative Fakten, Jessi, die ihr euch anschaut, die dieses Thema auch nochmal von der Datenseite untermauern?

Jessica Werner: Prinzipiell arbeiten wir überwiegend qualitativ. Da haben wir ja vorhin schon drüber gesprochen mit den micro Trends und den Signalen. Aber es stimmt natürlich, dass es ein relativ schwammiges Thema ist. Vor allem da sind natürlich auch quantitative Daten ganz interessant. Es ist zum Beispiel ganz spannend, es gibt eine LinkedIn-Studie, das sind allerdings Daten aus den USA, aber dass wir ein einundsiebzigprozentiges Wachstum in den letzten fünf Jahren hatten was so Diversity-Rollen angeht. Was auch schon ein bisschen zeigt, dass Unternehmen irgendwie sehen, wir müssen dafür tatsächlich auch Verantwortlichkeiten schaffen. Das ist auch nicht so eine on top Aufgabe oder so eine Aufgabe von Leuten die besonders engagiert im Unternehmen sind oder sich dafür mal privat Zeit nehmen und sich einsetzen wollen. Sondern das braucht Raum. Und das braucht auch Raum auf Managementebene und auf Führungsebene. Dann nicht nur im Marketingteam. Weil es eben kein Kommunikationsthema ist. So was sehen wir schon. Da ist es natürlich auch immer ganz hilfreich Zahlen zu sehen. Und es ist auch ganz spannend, sich dann auch mal von der BeyondGenderAgenda den Diversity-Index anzuschauen und zu schauen, welche Unternehmen machen da eigentlich was? Und das auch da irgendwie dann trotzdem noch sehr viel Luft nach oben ist. Solche Zahlen schauen wir uns schon an. Und wir sehen auch, dass sich da was bewegt in Deutschland, aber eben noch sehr langsam.

Peter von Aspern: Du hast es gesagt, Kommunikationsthema, HR-Thema, das sind, glaube ich, die Aufgaben und Rollen die in Unternehmen stark ausgebaut werden. Du hast mal die schöne Gleichung genannt, bedeutet mehr Diversität auch gleich mehr Innovationskraft für Unternehmen? Muss man nicht auch im Innovationsmanagement oder in Innovationsteams dieses Thema Diversity stärker einbauen? Und wenn ja, treibt es auch dann die Innovationskraft?

Jessica Werner: Ich glaube auf jeden Fall, ja. Das ist eigentlich auch relativ logisch. Wenn wir uns das überlegen, wenn ein Team einfach diverser ist, dann habe ich viel mehr Perspektiven die ich einbeziehen kann und viel mehr vielfältiges Wissen auf das ich zurückgreifen kann. Unterschiedliche Erfahrungen die Menschen mitbringen. Also was ja auch wichtig ist, Diversität hat ja super viele Dimensionen. Diversität ist eben nicht nur das Geschlecht oder mal eine ethnische Herkunft, sondern alle Menschen sind einfach unterschiedlich und bringen unterschiedliche Perspektiven mit ein. Wenn ich natürlich in einen Raum fünf Menschen mit ganz unterschiedlichen Erfahrungen setze, habe ich mehr Reibung. Dann ist das Gespräch vielleicht anstrengender, aber daraus kann auch sehr viel mehr entstehen, als wenn ich eine sehr homogene Gruppe an Menschen da reinsetze. Da können dann beispielsweise auch Lösungen für Probleme entstehen, von denen wir jetzt beispielsweise gar nichts wüssten, dass diese Probleme existieren. Weil sie uns in unserem Leben nicht betreffen. Das heißt, ich glaube, in Diversität liegt eine wahnsinnige Chance für Unternehmen und gerade auch für Innovationsabteilungen. Weil uns, glaube ich, sehr viel entgeht, wenn wir immer nur in unserer eigenen Perspektive bleiben. Wir können dadurch vielleicht verschiedene Perspektiven im Sinne von neuen Zielgruppen erreichen. Vielleicht sehe ich, ah, mein Produkt das spricht gerade so wie ich es kommuniziere oder wie ich es gestalte, gar nicht alle an. Oder ich schließe vielleicht auch viele Gruppen aus, weil mein Produkt nicht zugängig ist oder mein Service nicht zugängig ist. Aber es kann auch sein, dass mir dadurch ganz neue Ideen kommen. Weil ich mir denke, ah, da gibt es eine große Lücke. Da können wir irgendwas reinbringen was bisher irgendwie noch niemand sonst gesehen hat. Ich glaube, in Diversität liegt ein wahnsinniger Mehrwert, dem sich Unternehmen bewusst sein müssen.

Sebastian Metzner: Ich finde, das sieht man auch sehr schön an dem Thema frugale Innovation. Was wir hier auch schon mal besprochen hatten im Podcast. Wo man eben sehr schön als ein Beispiel gesehen hat, wie wichtig Diversität auch Innovationsprozessen sein kann. Weil man da auch gesehen hat, dass Unternehmen, die versuchen mit ihren Ingenieursteams aus Mitteldeutschland heraus sich zu überlegen, was denn wohl der Landwirt in China braucht. Dass das grandios schief geht. Du kannst von hieraus überhaupt nicht die Umwelt- und Rahmenbedingungen und Lebensumstände von Menschen am anderen des Planeten voraussehen. Nur mal so als ein Beispiel, wo es sich auch schon niederschlägt. Wo du merkst, okay, du musst halt versuchen da diese Menschen, die dort vor Ort sind, einzubeziehen, um tatsächlich diese Diversität herzustellen. Um sich auch besser in diese Zielgruppen hineinversetzen zu können. Weil sonst kriegst du diese Probleme nicht richtig gefasst. Nur, um mal ein konkretes Beispiel zu nennen, wie du das eben tatsächlich in den Innovationsprozess integrieren kannst. Aber weißt du was? Meine Frage wäre, ob es nicht ein bisschen so ist, dass innovative Unternehmen eher dazu neigen, auch Diversität zuzulassen. Dass es aktuell eher noch andersrum ist, weißt du? Dass Unternehmen, die sowieso schon eine open minded DNA haben und offen für Neues sind und ein innovatives Gen haben, welche die mutmaßliche Diversität sowieso schon zulassen. Da hast du natürlich so einen Zirkelschluss. Ich glaube, das muss sich jetzt ein bisschen mehr drehen. Dass Unternehmen, die sich aktuell schwer tun wirklich originäre, neue Dinge zu innovieren, denen würde vermutlich Diversität tatsächlich gut tun, um da weiter nach vorne zu kommen.

Peter von Aspern: Ja. Das könnte eine These sein, Peter. Aber gerade in Deutschland und das ist ein kritischer Punkt, den ich nochmal hinterfragen will, Deutschland tut sich aus meiner Wahrnehmung ein bisschen schwerer mit dem Thema Diversität. Jessi, was sind denn aus deiner Sicht die Gründe dafür?

Jessica Werner: Ich glaube, dass es, wenn wir in Deutschland über Diversität sprechen, häufig um so eine Frauenquote geht. Dass es nur um ethnische Herkunft oder wie Peter vorhin schon angesprochen hat, um so ein Diversitätsaktionismus geht. Dass ich irgendwie Solidarität zeige. Aber dass wir noch nicht so wirklich verstanden haben, was Diversität eigentlich bedeutet und wie viele Dimensionen das umfasst. Dass wir uns auch mit ganz vielen Diversitätsdimensionen noch gar nicht so vertraut gemacht haben. Und dass es erst langsam in Deutschland mal in die Köpfe der Leute kommt. Beispielsweise sehe ich in meinem social Media Feed gerade sehr viel über Neurodiversität und finde das super spannend. Weil das war einfach vorher auch, obwohl ich mich viel mit dem Thema auseinandersetze, mir nicht so klar, was das wiederum für Menschen bedeutet.

Peter von Aspern: Was ist denn Neurodiversität?

Jessica Werner: Grundsätzlich alles Mögliche an Themen. Wenn Leute zum Beispiel ADHS haben. Das ist beispielsweise in unserer Gesellschaft total tabuisiert oder findet nicht so statt im Erwachsenenalter. Aber davon sind viele Menschen, ich weiß nicht, ob betroffen der richtige Begriff ist, aber das betrifft viele Menschen. Und bringt halt wahnsinnige eigene Bedürfnisse mit sich. Weil, du arbeitest ganz anders. Das heißt nicht, dass du schlechter arbeitest, aber du brauchst andere Rahmenbedingungen. Solche Themen kommen erst gerade langsam in Deutschland auf das Radar von Leuten. Dann ist auch noch ein wahnsinnig wichtiger Punkt, das nehme ich zumindest subjektiv wahr, dass wir in Deutschland dazu neigen, zu sagen, dass wir keine Unterschiede sehen. Was bestimmt auch einen historischen Kontext hat und irgendwie auch verständlich ist. Aber wir sagen oft, für uns sind alle Menschen gleich. Wir sehen keine Unterschiede. Ich behandele alle gleich. Das ist für mich alles kein Problem. Das heißt auch nicht, dass es eine falsche Einstellung ist, aber es behindert in dem Sinne den Fortschritt. Weil, wenn ich keine Unterschiede sehe, ist es genau der Punkt, dass ich keine Chancengerechtigkeit herstellen kann. Und gerade so Punkte wie zum Beispiel soziale Herkunft, wollen wir in Deutschland auch nicht so wahrhaben, was für einen krassen Einfluss das hat. Aber ich glaube, nur 15 Prozent der Kinder aus nicht Akademikerhaushalten machen einen Bachelor-Abschluss. Was einfach zeigt, dass das nicht so durchlässig ist das System, wie wir es vielleicht gerne hätten oder es in unseren Köpfen ist. Das müssen wir uns auch erstmal eingestehen und ein bisschen wegkommen von dem, dass wir keine Unterschiede sehen. Sondern uns eben eher diese Unterschiede mal bewusst machen. Uns die eigenen Privilegien bewusst machen. Da brauchen wir in Deutschland noch ein bisschen Zeit. Das fängt erst langsam an. Da sind wir im Vergleich zu anderen Ländern einen Schritt zurück. Ich glaube, weil wir das einfach länger ein bisschen versucht haben zu vermeiden, weil es ja auch ein kritisches Thema mit unserer Vergangenheit in Deutschland ist. Aber es ist einfach wichtig, dass wir diese Unterschiede mehr sehen, mehr thematisieren, da offen sind und auch einfach zuhören. Ich glaube, ein wichtiger erster Schritt in Deutschland wäre es, einfach erstmal zuzuhören. Mehr diverse Stimmen zu Wort kommen zu lassen. Und dann reicht auch Diversität noch nicht aus. Wir müssen dann auch schauen, dass die Leute gerechte Chancen bekommen und am Ende ein inklusives Umfeld da ist. Und auch da haben wir noch wahnsinnig viel zu tun in Deutschland.

Peter von Aspern: Ja. Ich muss dabei immer an den Soziologen Andreas Reckwitz denken. Der hat ein Buch geschrieben, die Gesellschaft der Singularitäten. Der beschreibt im Grunde, wie Sozialinstitutionen, wie Vereine, Kirchen und Parteien, so zerfallen. Das waren früher alles Dinge, die haben diese Gleichheit quasi hergestellt. Die zerfallen ein Stück weit. Das heißt, jetzt werden natürlich die Unterschiede Stück für Stück immer offensichtlicher. Ich glaube ehrlich gesagt, durch diese stärkere Individualisierung werden wir uns diese Unterschiede bewusst. Ich frage mich nur, was nach unten sozusagen die bottom Line ist? Wie verschieden kann jedes einzelne Individuum sein, dass man trotzdem noch einen gemeinsamen Kern hat auf den man sich verständigen kann? Weil, wenn wir uns alle als N gleich eins sehen, was wir ja im Grunde in der Tat sind, als einzigartige Individuen wahrnehmen, brauchen wir dann trotzdem immer noch Bezugspunkte auf die man sich beziehen kann. Weil, Solidarität ist ja auch in Zeichen von Corona ein unheimlich starkes Wort gewesen auf das man sich dann bezieht. Diese Balance zwischen der Unterschiedlichkeit des Einzelnen, aber trotzdem der Solidarität als Gruppe, das ist halt auch ein schwieriges Unterfangen. Aber mir wird immer bewusst, dass es ein interessantes Spannungsfeld ist in dem wir immer mehr leben. Und dass das von der jungen Generation aber gefühlt einfacher und besser gehandelt wird, als von den Älteren. Ist das auch ein Generationsthema? Wenn man es vielleicht ganz stark vereinfachen will.

Jessica Werner: Ich verstehe, was du meinst mit dem Spannungsfeld. Ich finde aber, das sind Themen die sich nicht ausschließen. Weil, wenn sich prinzipiell jeder in der Gesellschaft irgendwie inkludiert fühlt, hast du vielleicht auch eine solidarischere Gesellschaft. Jetzt einfach mal so mein erster Gedanke dazu. Ansonsten glaube ich, dass es auf jeden Fall ein Generationsthema ist. Einfach, weil die jüngere Generation mit viel mehr Diversität aufgewachsen ist. Wir haben einfach viel mehr Zugang. Es ist viel offensichtlicher für uns wie unterschiedlich Menschen sind. Meine Eltern, keine Ahnung, wo haben die Informationen herbekommen? Aus dem Fernsehen oder so. Wie unterschiedlich waren da die Menschen? Gar nicht wirklich. Wenn du jetzt durch deinen Tiktok-Feed scrollst meinetwegen, um mal ein ganz stereotypes Beispiel zu nennen, aber es ist so, dann ist da einfach die Diversität wahnsinnig hoch. Das heißt, ich habe einen viel leichteren Zugang zu sehr viel diverseren Lebensrealitäten, als meine eigene. Und das macht es für mich natürlich sehr viel einfacher, das alles auch wahrzunehmen und auch Menschen in ihren Unterschieden wahrzunehmen. Und dann dafür auch sensibler zu sein. Weil, es ist oft nicht so, dass eine ältere Generation das aus einer bewussten Ignoranz heraus macht, sondern es ist einfach fremder für sie. Weil da einfach weniger Zugang zu war. Und weniger Diversität in unserer Gesellschaft sichtbar war vor einigen Jahren. Wenn du natürlich da einfach mit sehr viel mehr Repräsentation von verschiedenen Gruppen aufwächst, dann ist es einfacher für dich. So ist es einfach.

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Was machen Innovationsverantwortliche vor allem in 2022 mit dem Macro-Trend Diversity Awareness?

Sebastian Metzner: Man muss immer dazu sagen, wenn man so eine Einordnung macht, dann ist immer die Frage vor welchem Hintergrund findet sie statt? Wir hatten jetzt aus unserem Mittelstandsradar tatsächlich die Einschätzung Prepair vorgenommen. Weil wir eben gesehen haben, dass das Thema natürlich absolut für solche Unternehmen, auch als Arbeitgeber-. Wir sind dann da doch wieder beim Recruitingthema. Aber es ist auch schon da ein erster Treiber. Da wird es an Relevanz gewinnen. Aber wir würden jetzt nicht die Realität abdecken, wenn wir jetzt sagen würden, das ist sozusagen im Mittelstand schon ein absolut brennendes Eckthema. Und jeder Geschäftsführer von einem mittelständischen Unternehmen hat da eine klare Agenda zu diesem Thema. Das ist noch nicht so. Aber wir sehen das Thema wachsen. Ich glaube, ein Weg dahin ist, aus der Diskussion heraus, das Thema Werte. Oder auf Unternehmen übertragen, das Thema Purpose ist. Wo du eben diesen gemeinsamen Nenner hast. Dass du da wieder eine homogene Gruppe hast. Aber dadurch homogen, dass sie an das Gleiche glauben und die gleichen Werte teilen, aber natürlich total unterschiedliche Backgrounds haben können. Ich glaube, so bekommst du es wieder geklammert und hast eine diverse Truppe, die aber an das gleiche Ziel glaubt. Das ist, glaube ich, für Unternehmen ein ganz wichtiger Hebel, sich da an der Stelle dem Thema Werte und Purpose zu beschäftigen. Weil es zum einen auch eine ganz wichtige Anforderung sein wird von jungen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen. Die sich da in den Arbeitsmarkt reinbegeben und die das zu Recht als wichtig erachten. Und wissen möchten, welche Haltung hat das Unternehmen zu diesem Thema? Davon bin ich überzeugt, dass das so ist. Ich glaube aber auch, dass die Gesellschaft als Ganzes da einfach auch noch mitten in einem Erkenntnisprozess ist. Den kann man auch nicht abkürzen. Es ist schon so, wie es oft bei solchen gesellschaftlichen Wandlungen ist, dass es eben stark von der jungen Generation hergetrieben wird. Das war ja eigentlich schon immer so, wenn du solche Wertewandel vollziehst. Aber es braucht eben auch seine Zeit. Man muss auch geduldig sein mit den älteren Semestern. Bis die sich ein Stück weit abgeholt fühlen und auch nicht verurteilt fühlen aufgrund ihres bisherigen Verhaltens, was jetzt im Nachhinein als falsch gewertet wird. Weil das darf auf keinen Fall passieren. Das ist auf jeden Fall noch ein Weg, den wir hier alle gemeinsam zu gehen haben aus meiner Sicht.

Peter von Aspern: Ja. Und Prepare heißt, welche Handlungen sollten konkret Unternehmen vollziehen?

Sebastian Metzner: Prepare bedeutet im Grunde, dass du dich intensiv mit diesem Thema auseinandersetzt. Das heißt, dass es als Unternehmen auch wichtig ist, zu verstehen was da passiert. Was bedeutet dieser Wandel? Wo zeichnet der sich ab? Was hat das mit meinem Umfeld zu tun? Was hat das mit meinen Nachfragern zu tun? Wie kann ich das auf mein Unternehmen übertragen? Wie nah ist das an mir dran? Als Konsumgüterhersteller ist das Thema vielleicht ein Stück weit dringlicher, als wenn ich jetzt ein Maschinenbauer bin. Das kann so sein, aber es kann auch anders sein. Wenn ich jetzt sage, ich muss mich da digitalisieren und ich muss es jetzt wirklich schaffen, Talente an mich zu binden, dann kann das Thema auch sehr dringlich sein. Dass ich sage, das ist eine Kernanforderung die diese Generation an mein Unternehmen stellt. Und ich muss da gut aufgestellt sein. Man kann das nicht so pauschal beantworten und da jetzt alle über einen Kamm scheren. Aber wir haben es vor dem Querschnitt des deutschen Mittelstandes tatsächlich als Prepare klassifiziert. Wie gesagt, es ist eben jetzt schon wichtig, sich mit dem Thema intensiv auseinanderzusetzen und sich da ein bisschen rein zu spüren und zu gucken, wo könnten für uns Anlasspunkte sein. Es kann ja auch ein Design Thema sein, wo ich mich auch um Inklusion bemühen kann. Zum Beispiel Apple macht das auch schon ganz lange, diese Barrierefreiheit ist da immer schon ganz hoch aufgehangen gewesen.

Peter von Aspern: Sich vorzubereiten auf die Adaption in den Massenmarkt sich ganz genau im Unternehmen klar zu werden, wo setzen wir hier an? Das ist ein Stück weit die Hausaufgabe die Innovationsverantwortliche mit diesem Thema machen sollten. Es ist nichts für Watchlist. Wo man sagen kann, ja, wir haben es auf dem Zettel. Und wir beobachten immer wieder, was so draußen los ist. Es ist schon die, wenn ich dich da richtig verstehe, die aktive Auseinandersetzung mit diesem Thema und sich quasi vorzubereiten. Es geht nicht an einem vorbei. Der Zug fährt nicht an einem vorbei. Man muss auf jeden Fall einsteigen.

Sebastian Metzner: Ja, absolut. Ich meine, Unternehmen sind ja auch wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft und müssen da auch Verantwortung übernehmen und eine Haltung zu diesen Themen entwickeln. Weil, dieser Diskurs der findet jetzt statt. Und ich erachte es schon als sehr wichtig, dass sich da auch Unternehmen und Wirtschaft nicht raushalten, sondern sich da auch dran beteiligen. Das erachte ich schon als sehr wichtig.

Peter von Aspern: Jessi, jede Trendreaktion im Analystenteam schätzt das natürlich anders ein. Für euch ist das so ein Eckthema. Ist halt auch immer die Frage, wen man befragt. Nach der Einschätzung kriegt man dann auch die entsprechende Antwort. Ihr seid halt wesentlich früher dran. Was können denn deiner Meinung nach Unternehmen tun, um gezielt Vielfalt zu fördern? Welcher Teil der Lösung sind die Innovationsteams vielleicht dazu? Als letzte Frage.

Jessica Werner: Ich glaube, grundsätzlich ist es bei dem Thema erstmal wichtig, sich so einen Status quo anzugucken. Wo stehe ich überhaupt als Unternehmen? Wie sieht es bei mir intern überhaupt aus? Wie divers sind wir? Wie gehen wir mit dem Thema Diversität aktuell um? Und wie inklusiv ist unser Unternehmen eigentlich? Ob ich das jetzt einfach nur für mich intern mal evaluiere, ob ich da ein externes Zertifikat oder eine Beratung mir hole, keine Ahnung. Abhängig vom Unternehmen. Es gibt da diverse Möglichkeiten. Aber erstmal ist Grundlage bei diesem Thema, um ein bisschen Angriffspotential rauszunehmen wenn ich später was dazu sage, für Transparenz zu sorgen. Es ist ja kein Problem, wenn man sagt, wir sind noch nicht so weit, wir arbeiten da dran. Aber erstmal zu gucken, wie ist die Lage? Wo starten wir überhaupt? Dann ist es aber auch wichtig, konkrete Ziele zu definieren und dafür Raum zu schaffen. Wie ich vorhin schon meinte, das ist kein add on Thema. Wenn ich sage, ich möchte das als Unternehmen angehen, dann muss ich mir überlegen, wie gehe ich das an? Wer ist dafür verantwortlich? Und das ist dann auch nicht eine Person irgendwie in der Personalabteilung, die dafür verantwortlich ist. Und es ist auch nicht ein Vortrag im Monat zum Thema Diversity. Es ist die Frage, wie kriege ich das in meine Unternehmenskultur? Und sich dann auch zu überlegen und bewusst zu machen, was bringt mir das, wenn ich das in meine Unternehmenskultur bringe? So kommen auch Innovationsteams eher mit rein. Indem sie sich erstmal im ersten Schritt ihre eigenen Vorurteile und Privilegien bewusst machen. Wo starten wir überhaupt? Was für andere Perspektive können wir mit einbeziehen? Was für Perspektiven haben wir auch schon im Team? Auch da, selbst wenn ich jetzt mit einem zum Beispiel weißen, deutschen Team starte, mir auch mal anzugucken, was für eine Diversität herrscht da schon vor. Und dann gibt es natürlich immer die Möglichkeit, wenn ich jetzt starte und mein Team selbst vielleicht noch nicht so divers ist, wie kriege ich andere Meinungen mit rein? Wie kriege ich andere Perspektiven mit rein? Man kann die sich auch erstmal für den Start extern holen um da ein bisschen den Blick zu öffnen und seinen eigenen Tunnelblick ein bisschen zu verlassen. Sich bewusst zu werden, dass es nicht mehr diese soziodemografischen Zielgruppen gibt. Dass die einfach nicht mehr so zielführend sind für mein Unternehmen. Sondern dass es viel mehr Wert auch bringt, wenn ich da drüber hinausschaue. Dass es viel mehr Wert bringt, wenn ich beispielsweise mal hinterfrage, wie zugänglich sind meine Produkte und Services die ich aktuell habe? Was für Innovationen kann ich vielleicht entstehen lassen, dadurch, dass ich alleine die Zugänglichkeit erhöhe? Da grundsätzlich eine Kultur zu schaffen im ganzen Unternehmen, aber auch im Innovationsteam da offen zu sein für verschiedene Perspektiven, sich auch mal zu trauen in irgendwelche Nischenthemen zu gehen die einen selber nicht betreffen. Und sich dann externe Perspektiven vielleicht auch rein zu holen, kann ein super Mehrwert sein. Zum Beispiel, wenn ich mich mal daran mache, meine Verpackungen für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen lesbarer zu machen, kann das auch cool sein, weil das dann alte Leute auch gut finden, die nicht mehr so gut sehen. Also auch einfach dieses Potential zu erkennen, was ist, wenn ich meine eigene Sichtweise ein bisschen verlasse?

Peter von Aspern: Starker Gedanke. Da bin ich ehrlich gesagt noch nie draufgekommen. Das zeigt einfach, dass man mit den eigenen Augen, mit denen man die Welt betrachtet, nur einen ganz, ganz kleinen Blickwinkel beleuchtet. Und dass da noch so viele Dinge zu entdecken und zu entwickeln sind, die man aus seinen eigenen Lebenserfahrungen, aus seiner eigenen Prägung gar nicht so mitnimmt.

Sebastian Metzner: Ja, absolut.

Peter von Aspern: Vielen lieben Dank, Jessi. Das war heute ein großer deep Dive in zwei der relevantesten Macro-Trends für das Jahr 2022. Vielen lieben Dank, dass du heute zu Gast warst.

Jessica Werner: Sehr gerne. Hat mir Spaß gemacht.

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