Sebastian Metzner: Also der wilde Westen, gerade ist es ein El Dorado oder Goldrausch. Ich möchte aber noch mal die Akteure abstecken. Wir haben auf der einen Seite die Big-Tech-Player, die aufgrund ihrer guten Antizipation solcher Entwicklungen und ihrem Talent jetzt dort mitreingehen können. Große Marken gehen dort mit rein. Auf der anderen Seite der Skala gibt es ganz viele kleinere dezentrale Player, die Metapreneure. Den Begriff hast du geprägt, Sandro. Das sind dann die Entwickler, die zum Teil nur als Avatare dort auftreten, die man noch nicht mal persönlich kennt, die sich vielleicht auch hinter Pseudonymen verstecken. Das sind gerade die Knots, das sind so die Talents. Gibt es in der Mitte zwischen den beiden genannten noch weitere Akteure? Spielen da Staaten zukünftig mit? Vielleicht kannst du uns informieren, welche Akteure zukünftig noch stärker im Metaversum sein werden.
Sandro Megerle: Man könnte sagen, dass es ein Abbild unserer allgemeinen Gesellschaft sein wird. Du hast ja gerade von Metapreneuren gesprochen, also jeder, der versucht, Business zu betreiben, Ökonomien aufzustellen. Wir sehen aber zurzeit auch eine Bewegung von institutionellen Akteuren, die versuchen sich in entsprechenden Metaversen zu positionieren. Vorreiter ist Seoul aus Südkorea. Sie versuchen bis 2026 die Hauptstadt Seoul in einem Metaversum abzubilden. Nicht nur in der Oberfläche, der visuellen Darstellung, sondern auch, was darunter liegt. Sprich mit allen Dienstleistungen, die eine Stadtregierung anbieten kann. Es soll möglich sein, dass ich dort nicht nur diverse staatliche Dienstleistungen in Anspruch nehmen kann, beispielsweise den Führerschein ausstellen zu lassen, oder bei Ämtern Gelder beantragen. Alle Aufgaben, die eine Stadt gerade noch analog abbildet, können dann ins Metaversum übertragen werden. Ganz viele Zuhörer*Innen haben eine eigene Story, was es bedeutet, wenn man verschiedene Dienstleistungen einer Stadt man in Anspruch nehmen möchte. Und auch, welche Wartezeiten das mit sich bringt. Und eine Mechanik des Metaversums ist, dass es keine Teilnehmerzahlbegrenzung gibt. Das heißt, es könnten theoretisch 100.000 Leute gleichzeitig den Führerschein beantragen. Die müssen dann nicht acht Stunden anstehen, um an den Schalter zu kommen, sondern sie können es gleich machen. Das ist ein erstes Beispiel. Dann sehen wir eine Weiterentwicklung bei der Karibikinsel Barbados. Sie bieten eine Botschaft im Decentral-Land an. Ich kann dann dort mit meinem Avatar die entsprechende Botschaft aufsuchen und mir dort ein Visum ausstellen lassen, was dann für die analoge Welt gilt. Das finde ich spannend. Wenn also auch die institutionellen Akteure in diese Richtung gehen. Das zeigt, dass es nicht nur der Wilde Westen des Geldverdienens ist, sondern dass es institutionelle Überlegungen gibt, wie man die Vorteile der Metaversen für mehr Performance nutzen kann.
Peter von Aspern: Fast eine Art Digital Twin, oder?
Sandro Megerle: Ja, kann man sagen. Wobei man dabei aufpassen muss. Das kein ein Digital Twin sein, aber nicht jede Stadtverwaltung oder Botschaft, die sich ins Metaversum verlagert, ist gleichzeitig ein Digital Twin. Da müssen wir ein bisschen genauer drauf achten. Aber Digital Twins sind eine ganz spannende Mechanik. Die wir jetzt erst in ihren Grundzügen sehen, die aber in Zukunft nach meiner Einschätzung deutlich zunehmen werden. Digital Twin ist für sich genommen ein starkes Thema, und Metaversen können die ideale Bühne sein, die Vorteile eines Digital Twins auszuspielen.
Sebastian Metzner: Lass uns auch noch mal auf die Hardwareseite schauen. Den Einstieg in die virtuelle Welt stellen oft diese Brillen dar. Es gibt ja VR, AR und MR. MR, also Mixed Reality, wäre zum Beispiel sowas wie die Holo Lens von Microsoft. Im Bereich VR, Virtual Reality, ist aktuell die technologische Reife schon am höchsten. Es gibt dort im Bereich Gaming schon Massenmarktprodukte, von Sony zum Beispiel Oculus. Diese Geräte werden zu einem relativ niedrigen Preis angeboten. Was sind da so die zentralen Treiber? Könnte die Vertreibung solcher Devices ein wichtiger Treiber sein, dass mehr Menschen tatsächlich den Weg in ein Metaversum finden?
Sandro Megerle: Ja, das sind sie auf alle Fälle. An dieser Stelle möchte ich noch mal den Unterschied zwischen Augmented Reality und Mixed Reality klarstellen. Augmented Reality, erweiterte Realität, bedeutet: Ich bekomme über ein Endgerät, beispielsweise eine Brille oder Kontaktlinse Informationen eingespielt, die über meiner normalen Wahrnehmung liegen. Zum Beispiel Richtungsangaben, Hinweise, Wetterinformationen. Mixed Reality ist da deutlich more sophisticated, weil sie richtig mit diesen Gegenständen interagiert, die in der analogen Welt erkannt werden. Hier werden dann zum Beispiel Werbungen auf Gebäude passgenau eingespielt. Ich kann Sachverhalte der realen Welt mit Skins überlagern, wenn sie mir nicht passen. Und so entsteht eine Wahrnehmungsgemeinschaft. Diese Mixed Reality kann ich ja auch in verschieden Communities teilen. Da sprechen wir also von Wahrnehmungsgemeinschaften. Augmented Reality ist also eher einfach, Mixed Reality ist die höchste Kunst eines Metaversums, was analoge und digitale Welt verschmelzt. Virtual Reality kann man hiervon unterscheiden. Hier ist es immersiv, ich setze diese entsprechende Brille auf und versenke mich total in dieser Welt. Bekomme unter Umständen auch gar nichts mehr von dem mit, was außerhalb meiner virtuellen Welt passiert. Die zwei Mechaniken müssen wir erst mal unterscheiden. Jetzt ist es ja so, dass Virtual Reality schon seit einiger Zeit auf dem Markt ist, und sich auch einige große Akteure dort investitionsreich positioniert haben. Facebook hat circa zwei Milliarden für Oculus bezahlt, um sich den größten Anbieter von Virtual-Reality-Brillen ins eigene Portfolio zu holen. Wenn man sich die letzten anderthalb Jahre anschaut, wurde coronabedingt prognostiziert, dass Virtual Reality diesen riesigen Durchbruch bekommen würde. Das ist aber nicht gekommen. Es wurde ein bisschen mehr in Anspruch genommen. Bei Virtual Reality liegt es aber gar nicht an der Technologie. Die ist gut. Dann kann man sehr viele spannende Inhalte konsumieren. Man kann sich andere Welt hineinversetzen lassen. Ich glaube aber nicht, dass Menschen sich über einen längeren Zeitraum dieses Device, was gerne mal die Größe einer Schuhbox hat, aufsetzen und mehrere Stunden dort verweilen. Das sehe ich auch hier in unserem Sample-Lab. Es ist für viele ein großes Aha- Erlebnis, die zum ersten Mal eine Virtual-Reality-Brille aufhaben. Brillenträger werden schon eingeschränkt. Da muss man etwas feiner justieren. Und nach dem ersten Aha-Moment flacht es etwas ab. Deswegen ist Virtual Reality aus dem Gaming-Bereich spannend. Man kann sich immersiv hineinversetzen lassen. Das richtig Spannende ist aber meiner Meinung diese AR- und MR-Metaversum, weil wir hier digitale Welten mit der analogen Welt kombinieren. Wir bewegen uns in einer analogen Welt, haben aber die Vorteile von digitalen Inhalten, digitaler Interaktion, digitalen Mehrwerten. Deswegen glaube ich, dass AR und MR die Themen der nächsten Jahre sein werden, wenn wir über Metaversen im richtigen Kontext sprechen. Und nicht nur über diese Spitze des Eisberg, welche gerne Metaversum genannt wird. Hier könnte Apple natürlich der Gamechanger sein. Das könnte uns auf eine neue Ebene heben. Zugleich gibt es eine Vielzahl kleinerer Anbieter, die sich positionieren, aber denen fehlt dann natürlich noch die Reichweite, die ich Apple zusprechen würde. Apple hat eine immense Menge an Bestandskunden. Sie können je nachdem, wie sie es in ihre Ökosystem integrieren, eine Performance anbieten, wo ein kleines mittelständisches Unternehmen nur von träumen kann.
Peter von Aspern: Klar. Das ist eine spannende Frage. Ich bin gespannt, welchen technologischen Weg Apple da gehen wird. Weil es ja Leaks in beide Richtungen gibt. Es gibt einerseits die Theorie, dass es in Richtung Augmented oder Mixed Reality gehen wird. Ich habe gestern gelesen, dass es Vermutungen gibt, die aussagen, dass der erste Schritt nur VR sein wird. Die Frage ist ja, welche Technologie reif genug ist, um gegen so einen krassen Massenmarkt, wie Apple ihn hat, ins Feld zu ziehen. Von daher halte ich es für plausibel, dass man sagt, dass es erst mal eine VR-Brille ist, die aber einen Modus hat, dass du sehr gute Kameras außen rum hast, dass du da durchgucken kannst. Das ist tatsächlich eine spannende Frage. Weil Apple oft auf sichere Sachen setzt und gar nicht so sehr diese disruptiven Technologien pusht, wie es auch ihr Ruf ist. In Wirklichkeit machen sie das aber gar nicht. Sie setzen immer auf total save Sachen, die dann sehr reif ausentwickelt sind, die in dieser Apple-Qualität sind. Wir wissen es alle nicht, aber ich bin sehr gespannt, welchen Weg sie gehen werden.
Sandro Megerle: Da kann man den Vergleich heranziehen, dass es das Mobile Internet schon fast zehn Jahre gab, bevor 2007 das iPhone rauskam. Das wurde einfach sehr wenig genutzt. Nach zehn Jahren Grundlagenentwicklung hatte Apple sich dann erbarmt, das auf eine neue Ebene mit dem iPhone zu heben. Wir wissen ja alle, was danach passiert ist. App-Economy und was noch alles so durch die Decke ging mit diesem Device. Noch mal bezugnehmend auf mein 1995-Beispiel: Vielleicht stehen wir hier an der gleichen Stelle. Dass Apple sich die entsprechenden Technologien anschaut, was die Mitbewerber machen und dann im zweiten Quartal 2022 das Device mit One-More-Thing auf die Straße bringen. Und wir uns dann ganz schnell mit dem Thema Metaversen auf einer anderen Ebene auseinandersetzen müssen. Du hast dich eben auf Virtual Reality bezogen, Peter. Ich nenne diese Technologie eine Wohnzimmer-Technologie. Ich setze das zu Hause auf, muss etwas Platz schaffen, damit ich bewegen kann. Aber die MR- oder AR-Technologie ist eine, die ich im Alltag verwenden kann. Ich kann sie sowohl bei mir zu Hause in meinen eigenen vier Wänden nutzen, ich kann sie aber auch auf der Straße nutzen, auf dem Weg zur Arbeit, in der S-Bahn oder im Office. Der Anwendungskontext von AR- oder MR-Metaversen ist deutlich größer, als wir es von VR annehmen können.