Sebastian Metzner: Was sind die Erfolgsfaktoren? Denn Deutschland hat ja in der Situation nicht die Arme in den Schoß gelegt und abgewartet, sondern du hast vorhin den Pragmatismus angesprochen, mit dem es auch hier vorwärts ging. Aber gefühlt ging es in China noch krasser vorwärts. Was sind da die Erfolgsfaktoren, dass sich da so eine große Lücke deiner Meinung nach auftut?
Sven Tollmien: Also das ist im Prinzip das, was ich eben auch schon sagte, diese Zusammenarbeit gerade im politischen Bereich, dass die halt eben mit der Regierung sehr eng auch die Langfristplanung schon im Vorfeld durchgeführt und klare Fokusthemen festgelegt haben und da also auch stärker zusammengewachsen sind an dem Thema. Was hierzulande aber auch eben Österreich, Schweiz zum Teil kritisiert wurde, dass es dort eben nicht diesen einheitlichen Weg gibt. Das ist halt eben in China wirklich unter einer Linie ein Weg, den gehen wir jetzt gemeinsam, die Themen sind festgelegt und da arbeitet jeder an einem Strang. Sei es jetzt irgendwelche Standardisierungsthemen oder sonstige technologische Entwicklungen, Fördergelder, Startups. Da wurde wirklich einheitlich massiv nach vorne gepusht. Das was hier aus Sicht der Unternehmer, der Interviewpartner halt nicht so in dem Maße durchgeführt wurde.
Peter von Aspern: Und stereotypisch war es ja immer schon so, dass du in den USA immer schon so einen sehr starken Fokus auch auf den Go-to-market hattest. Dass man immer stark darauf fokussiert war, dass Innovation wirklich auch schnell an den Markt gebracht werden soll und dann eben auch als profitables neues Business-Modell funktionieren sollen. In Deutschland hast du ja eher so diese ingenieursgetriebenen Innovations-Mindsets jetzt im klassischen Sinne. Dass du eben sagst, du versuchst eine technisch optimale Lösung zu entwickeln, Zeit spielt keine Rolle und ob man damit eines Tages Geld verdient, ist eigentlich auch fast egal, so übertrieben gesagt. Wo würdest du da die Chinesen verordnen? Wie sind die denn so drauf?
Sven Tollmien: Also es kam aus beiden Ländern immer stärker dieses Time-to-Value, dieses Werte schaffen. Dass ich da eben nicht mehr diese langen Zeiten hinter mir habe, dann schnell das Produkt an den Markt bringe, aber dass der Kunde da auch den Mehrwert sieht, dass es genutzt wird. Und das lässt sich eigentlich bei beiden Ländern, sowohl Amerika als eben auch China ganz gut zusammenfassen, dieses Time-to-Value, Geschwindigkeit hat dann noch mal einen ganz neuen Stellenwert bekommen. Gerade eben auch in den USA hat man das gesehen, dass dort neue Sachen ausprobiert worden sind, die aber immer klar darauf abzielten den Mehrwert zu liefern, weil es anders in der Zeit in der Pandemie nicht funktionierte. Das hat man in den Logistikbereichen gesehen, die ohne Ende geboomt haben. Food Delivery et cetera, da ist also so viel passiert. Und die Chinesen sehen eben auch, wenn wir etwas entwickeln, wie bringe ich das dann nicht nur schnell an den Markt, sondern wie schaffe ich auch schnell den Wert, dass der Kunde das auch dort annimmt.
Sebastian Metzner: Spielen die großen Tech-Konzerne in China dabei eine Rolle bei dem Innovationstempo? Also Tencent, Alibaba, Beido, Huawei, haben die einen Einfluss darauf, dass es dort wesentlich schneller vorwärts geht?
Sven Tollmien: Naja die haben natürlich die großen Budgets gehabt und da auch massiv eben gepusht an diesem Thema. Und wenn die ihre Budgets nicht kappen, sondern eher noch nach vorne bringen und aufstocken und die Startups mitziehen, dann sind die natürlich große Treiber dahinter. Und das fokussiert sich dort halt eben auf diese wenigen erstmal im ersten Schritt, aber es kommen natürlich auch viele nach, die sich neu entwickeln. Aber klar, wenn die Großen nach vorne gehen, zieht der Rest des Marktes entsprechend mit.
Sebastian Metzner: Vorbildfunktion ist ganz, ganz stark da, na klar. Die Frage ist ja schon auch, wie die Tech-Konzerne in de USA jetzt in der Krise agiert haben. Ist es jetzt nicht so groß die Vorreiterrolle gewesen. Klar, gerade Amazon hat wahnsinnige Rekordgewinne jetzt eingefahren. Google, Facebook ebenfalls stark gewonnen in der Krise jetzt. Aber da ist für mich ein bisschen auch die offene Frage, welche Bedeutung die Großkonzerne dabei einnehmen, das Innovationstempo noch weiter vorwärtszupushen.
Sven Tollmien: Vielleicht da noch mal eine kurze Ergänzung, weil du gerade die Unternehmen in Amerika genannt hast. Diese Vorreiterrolle, die haben sie natürlich nach wie vor, die sind natürlich noch weiter dabei. Aber was eben hier sehr spannend als Rückmeldung kam, ist, dass gerade was die Digitalisierung, den digitalen Arbeitsplatz und so weiter noch stärker vorangetrieben haben. Weil gibt ja Unternehmen gibt, die gleich gesagt haben oder fast als die Krise losging oder kurz danach, Home-Office bis Ende 2021, teilweise 2022. Die also wirklich schauen und sagen wir müssen auch anders darauf reagieren auf diese Themen. Die nehmen also auch hier an der ein oder anderen Stelle eine andere Vorreiterrolle vielleicht ein, wie es eben auch funktionieren kann, wie man auch umgeht. Nicht nur das kurzfristige Testen, das hat man ja hier auch gehört 30.06. war ja damals immer das Stichdatum, wenn alle wieder ins Office zurückkommen sollen. Da wird da oben gleich von abgesehen. Das ist so in Amerika eine ganz andere Denkweise und die kam auch an vielerlei Stelle sehr deutlich rüber.