Exnovation

In Episode #16 des TRENDONE Podcast "Innovation geht anders" sprechen wir über das Thema Exnovation. Wir erklären, was sich hinter dem Begriff verbirgt und welche Aspekte ihn im Jahr 2021 so wichtig machen.

Unternehmen stehen mit anwachsender Innovationsfähigkeit vor der Aufgabe, ihre alten Geschäftsmodelle, Produkte oder Technologien gezielt abzuschaffen. Exnovation schafft Platz für Neues und zwingt Unternehmen neben der passenden Innovationsstrategie auch über verantwortungsvolle Ausstiegsprozesse nachzudenken.

Innovationsmanager*innen stehen damit vor der Herausforderung, Neu und Alt in einem konstanten Wechselspiel zusammenzudenken. Wie dies gelingt, darüber sprechen wir im zweiten Teil. Wir erläutern Strategien und fragen uns, was Innovationsverantwortliche aus der Abfallwirtschaft lernen können.

Peter von Aspern
Director Trend Services, TRENDONE Hamburg

Sebastian Metzner
Chief Strategy Officer, TRENDONE Berlin

TRENDONE Podcast Cover #16 Exnovation

Podcast Transkription

Episode #16 Exnovation von und mit Peter von Aspern und Sebastian Metzner vom 06.01.2021 | 49 Min.

Was ist überhaupt Exnovation? Was verbirgt sich hinter diesem Begriff?

Peter von Aspern: Das Besondere tatsächlich an diesem Konzept der Exnovation ist, dass hier nicht das Alte durch das Neue ersetzt wird, wie es eben so ein typischer evolutionärer Prozess ist, sondern es geht eben darum, dass tatsächlich Produkte, Leistungen, Konzepte, Prozesse bewusst zurückgenommen werden, obwohl sie gegenwärtig noch sehr gut funktionieren. Man sie aber bewusst vom Markt nimmt oder eben durch etwas anderes ersetzt, weil man sie eben nicht mehr als nachhaltig erachtet, oder auch, weil man sie zum Beispiel nicht mehr als wünschenswert beachtet, zum Beispiel eben auch aus politischen Vorstellungen oder moralischen Vorstellungen heraus, das können dafür Motive sein. Aber wichtig an diesem Konzept der Exnovation ist tatsächlich, dass es ein willentlicher Prozess ist, so eine bewusste Entscheidung ist, sich von etwas zu trennen.

Beispiele für Exnovationsentscheidungen - vom Atomausstieg bis zum Individualverkehr

Peter von Aspern: Also Mobilität ist sicherlich ein Bereich, in dem es noch zahlreiche Entscheidungen zu fällen gibt, die dann eben mit Exnovation auch einhergehen können. Ein Beispiel ist sicherlich das ganz große Thema Individualverkehr, also dieses gesamte Konzept des Individualverkehrs, was ja meistens immer noch auf dem Besitz eines persönlichen Automobils basiert, ist sicherlich ein Thema, mit dem man sich jetzt in der Politik in den nächsten Jahrzehnten sicherlich auch noch intensiver beschäftigen wird, weil ja auch die Alternativen zunehmend da sind. Also Stichworte Carsharing und Ridesharing sind da natürlich die naheliegenden Optionen. Auch so das Thema der autozentrierten Verkehrsplanung, da sehen wir jetzt im Grunde ja auch schon so langsam den Einstieg in einen Exnovationsprozess, in dem Sinne, dass wir jetzt ja auch aufgrund der Corona-Krise - hier auch wieder das Thema Timing, also ähnlich wie beim Atomausstieg – sieht man auch hier, dass die Stadtplaner auch hier die Chance genutzt haben und die Präferenz des Autoverkehrs ein Stück weit zurückdrängen und eben auch dem Fahrradverkehr und den Fußgängern mehr Raum geben. Auch das kann man als Teil eines Exnovationsprozesses betrachten. Und natürlich auch ein ganz offensichtliches Thema ist natürlich das Thema Verbrennungsmotor versus neue Antriebstechnologien. Hier sieht man auch wieder sehr gut, wie wichtig es ist, dass eben tatsächlich auch die Politik hier von außen mit Auflagen, aber auch mit Förderungen diese neuen Technologien vorantreibt, aber auch gleichzeitig den Ausstieg aus der alten Verbrenner-Technologie offensichtlicher forcieren muss, weil man eben sieht, wie schwer es tatsächlich auch der Industrie fällt, sich von diesem Konzept zu trennen, weil es ja immer noch nach wie vor wirtschaftlich ein sehr einträgliches Geschäft ist, Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren zu verkaufen.

Internet und partizipative Exnovationsprozesse

Sebastian Metzner: Was mir bei den Beispielen, die du nennst, Peter, so ein bisschen auffällt, dass hier zukünftig auch Themen auf uns warten, wo nicht nur die Politik Regulierungen vorgibt und Unternehmen deswegen steuert, sondern dort ganz, ganz bidirektional mit den entscheidenden Interessengruppen zusammenarbeiten muss. Das heißt, sowohl mit den Unternehmen, mit den Arbeitgebern, mit Regionalverbänden, mit Umweltverbänden, all das spielt hier eine große Rolle. Ich habe mir grad so ein bissen vorgestellt, als du erzählst: Warum ist das so? Weil diese FCKW-Geschichte in den 80er, 90er Jahren, das konnte von oben herab so wie runterregiert werden. Warum muss das heute so partizipativ entschieden werden? Weil ich glaube, ein großer Punkt ist das Internet und die Partizipation von sämtlichen Gruppen und die Teilnahme dieser Gruppen an der Debatte, dass du das heute quasi nur gemeinsam entscheiden kannst und dass Exnovationsprozesse, glaube ich, auch viel, viel länger dauern. Das siehst du jetzt auch an so Themen, das ganze Thema Glyphosat wird da so ein bisschen, in meinem Kopf dann, also: Welche Pflanzenschutzmittel darf ich zukünftig noch verwenden? Wie sehen diese Ausstiegsstrategien aus? Da sieht man, dass das alles wirklich ein sehr langer Prozess ist. In Deutschland jetzt auch noch mal aufgekommen die Debatte unter Corona auch des innerdeutschen Fliegens. Wird man das zukünftig forcieren, dass eventuell einzuschränken? Schwieriges Thema.

Gefangen in Pfadabhängigkeiten

Sebastian Metzner: Weil wie gesagt, also ich halte das für einen zentralen Punkt. Also sicherlich wird aus der politischen Richtung hier viel auch aus den Think Tanks heraus viel agiert und viel vorgegeben, aber die Unternehmen spielen dabei eine ganz, ganz große Rolle. Warum? Weil sie auch in den Jahren so ein Stück weit innoviert haben. Peter, du hast das Wort der Pfadabhängigkeit vorhin gerade noch mal genannt. Das ist ja mit eines der Motive, die sich Unternehmen heute immer stärker stellen müssen, in welchen Pfadabhängigkeiten sind sie gefangen. Bringt es etwas, aus diese Pfadabhängigkeiten auszusteigen? Was dann ein Exnovationsthema ist. Vielleicht nimmst du uns mal mit in dieses große Wort der Pfadabhängigkeit und erklärst vielleicht noch mal ganz kurz, was der Umgang von Unternehmen aus dieser Sicht ist.

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Wirtschaftliche Anreize - von AirPods und Puma

Peter von Aspern: Ja, absolut, genau. Du hast es ja auch grad gesagt, also der Anreiz eben als Unternehmen tatsächlich sich mit Exnovation auseinanderzusetzen und das auch zu betreiben, ist sicherlich genau das, was du gerade gesagt hast, dass man eben sich einerseits positionieren kann, so wie Apple das getan hat, also auch vor seiner neophilen Zielgruppe weiter eben der Vorreiter für Neues zu sein. Natürlich kann man auch mit der Etablierung von neuen Standards neue wirtschaftliche Potenziale freischalten. Also jeder weiß ja auch inzwischen wahrscheinlich, dass dieses Geschäftsmodell von Apple mit den AirPods, was natürlich durchaus einen Zusammenhang hat mit dem Verzicht auf Kopfhöreranschlüssen in Handys, die reinste Goldgrube ist. Ich glaube, die AirPods, Apple macht mit dem Ersatz von AirPods, also wenn man mal einen verliert und einen nachkauft pro Jahr mehr Umsatz als Puma, also als Puma auf jeden Fall, und noch ein weiterer Konzern dazu addiert. Man kann natürlich auch neue Märkte freischalten, wenn man so will. Das ist sicherlich ein Anreiz auch tatsächlich für Exnovation, was so ein bisschen widersinnig eigentlich klingt. Und ein zweiter Punkt ist, dass es oftmals, wie du auch schon sagtest, nicht unbedingt auch wirtschaftliche Anreize aus Unternehmenssicht gibt. Es gibt ja auch Beispiele, wo einfach nachweislich ineffiziente Konzepte weitergefahren werden. Da wäre so das Beispiel der Glühbirne, die wirklich notorisch energieineffizient ist, das war mir auch vorher nie so klar, ich glaube, also über 80 % Energie werden da in Form von Wärme einfach abgegeben. Das hat ja zur Folge, dass zum einen man einen sehr hohen Stromverbrauch hat, der völlig unnötig ist, und das wiederum hat zur Folge, dass die Umwelt unnötig belastet wird. Und diese Kosten, die dadurch entstehen, in Form von Umweltverschmutzung und eines hohen Stromverbrauchs auf Verbraucherseite, diese Kosten werden ja durch die Unternehmen, die Glühbirnen wiederum produzieren, ja gar nicht getragen. Das heißt, das ist ja dieses typische Beispiel von nicht internalisierten Kosten. Das ist eben wieder so ein Fall, wo Unternehmen eben keinen Anreiz haben, sich von einem solchen nicht nachhaltigen Ansatz zu trennen, und wo du eben dann doch diesen politischen Eingriff brauchst, um eben über Regulierung sich von solchen nicht mehr nachhaltigen Konzepten zu trennen.

Fredmund Malik, Great Transformation 2021

Sebastian Metzner: Da sieht man wieder dieses Wechselspiel. Ich glaube, das ist ganz, ganz zentral bei dem Thema Exnovation zwischen Politik und Wirtschaft, wer sich gegenseitig dort die Bälle zuspielt, wer Impulse setzt. Aber ich glaube, dass man da aus Sicht der Politik viel verstärkter darüber nachdenken kann, Exnovationsstrategien zu fahren. Ich bin persönlich damit in Kontakt gekommen, weil an meiner Gasetagenheizung vor ein, zwei Jahren so ein Energielabel, wie man es von den Kühlschränken kennt, angebracht worden ist, und ich dadurch natürlich total vor Augen geführt bekommen habe, wie ineffizient eigentlich meine Gasetagenheizung ist. Nur wohne ich in einer Mietwohnung und kann nicht einfach als Privatbesitzer meiner Wohnung ja entscheiden, was ich wie, wo austausche. Aber natürlich bin ich dazu jetzt erst mal bewusst geworden, dass sicherlich hier so ein Ausstieg oder eine Erneuerung dieser Gastherme eine große Rolle spielt. Also das könnte man jetzt auf andere Themen wie zum Beispiel Fleischkonsum übertragen, Peter: Wie kriegst du den Verbraucher dann natürlich auch noch mal mit ins Boot geholt und natürlich auch da so eine gewisse Wechselwilligkeit und Abschaffungsthematik noch mal so platziert? Ich glaube, das ist ein Zusammenspiel, und darauf will ich hinaus, so von verschiedenen Kräften. Vielleicht gehen wir noch mal so ein bisschen über auf das nächste Thema, weil, wenn man über das Thema Exnovation nachdenkt, du hast es vorhin schon gesagt, dann hast du diese Pfadabhängigkeiten und auch die mutigen Schritte der Unternehmen, die zum Beispiel Productfeatures so langsam ausfaden, ausschleifen lassen. Wenn du aber mal schaust, du hast es vorhin gesagt, die großen Themen sind zum Beispiel Individualmobilität, zukünftig in das ganze Thema Sharing zu gehen, dann stehen wir ja vor einem grundlegenden Wandel der Geschäftsmodelle, die dort Unternehmen einfach initiieren müssen. Das ist ja ein ganz, ganz wichtiger Schritt. Wir haben in der Vorbereitung der Folge ein schönes Modell gefunden, Fredmund Malik, einer der europäischen Management-Vordenker, hat dort eine kurze Kurve so aufgezeichnet, große Transformation 2021, wir werden diese ein Stück weit für euch erklären. Wer sie gerne nachvollziehen möchte, kann runter in die Shownotes gehen, kann sich die einmal anschauen und mal vor Augen führen. Ich glaube, das erleichtert so ein bisschen das Verständnis davon, wenn wir gerade drüber sprechen. Peter, lass uns vielleicht mal so ein bisschen durch die Kurve durchgehen, durch die Grafik durchgehen, weil sie zeigt sehr, sehr schön die Herausforderung, ein altes Geschäftsmodell quasi zu exnovieren und zeitgleich ein neues Geschäftsmodell quasi aufzubauen.

Methoden des Trendmanagements und Herleitung von Innovationsfeldern

Peter von Aspern: Ja. Und weil eben tatsächlich diese Entscheidungen dann auch so unpopulär sein können und auch vielleicht sein müssen, ist es natürlich extrem wichtig, entsprechend auch so eine gewisse Nachvollziehbarkeit von solchen Entscheidungen natürlich herzustellen, wenn man jetzt aus Managementsicht auf solche Themen schaut. Und es gleichzeitig auch sehr wichtig ist, tatsächlich auch aus der Zukunft auf diese Themen zu schauen, denn nur so kann man sie tatsächlich verstehend. Denn, wenn man aus der Gegenwart auf diese Geschäftsmodelle schaut, die sich im Abschwung befinden und nicht mehr sich als nachhaltig erweisen, dann wird man das quasi aus dem Blick des Heute so nicht erkennen. Weil, wenn ich jetzt nur auf die operativen Kennzahlen schaue, wenn ich mir jetzt anschaue, Mensch, wie viel Umsatz machen wir denn eigentlich mit dem Verkauf von Autos mit Verbrennungsmotoren und was kostet uns das, dann werde ich ja feststellen: Mensch, das ist ja ein super einträgliches Geschäft. Um Gottes willen! Warum soll ich mich denn jetzt davon verabschieden? Man kann diese Entscheidung nur nachvollziehen und überhaupt nur treffen, wenn man aus der Zukunft diese Geschäftsfelder bewertet und sich aus der Zukunftsperspektive heraus fragt, ob diese Geschäftsfelder noch nachhaltig sind oder nicht. Nur so kann man tatsächlich diese Entscheidung auch fällen und dann auch nachvollziehbar machen. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt, der auch eine wichtige Erkenntnis aus dem Trendmanagement heraus sein kann. Wir hatten in der letzten Folge ja intensiv über das Trendmanagement gesprochen und haben selber da auch hauptsächlich über Innovationen gesprochen und darüber, wie man auch mit den Methoden des Trendmanagements systematisch neue Innovationsfelder herleiten kann. Aber das Gleiche gilt natürlich auch fürs Thema Exnovation, denn das Trendmanagement kann ja auch deutlich machen, dass aus der Zukunft betrachtet das ein oder andere Geschäftsmodell, was ich aktuell im Portfolio habe, nicht nachhaltig ist und man sich die Frage stellen muss, wie man sich eventuell dann von solchen Geschäftsfeldern verabschieden möchte, oder auch muss.

Nicht alles muss weg - Recyclingmethoden von der Abfallwirtschaft lernen

Sebastian Metzner: Genau. Das ist so ein bisschen der Grundsatz. Man muss dann nicht Tabula rasa machen und muss sozusagen dort alles einebnen, sondern die interessante Analogie, die mir auch mal so ein bisschen in der Vorbereitung der Folge gekommen ist, ist: Was können wir eigentlich aus der Abfallwirtschaft, aus dem Recycling, aus den verschiedenen Recyclingformen, die im Bereich der Abfallwirtschaft eingesetzt werden, was kann man da als Unternehmen vielleicht lernen? Vielleicht sollten sich Innovationsmanager mit Managern aus der Abfallwirtschaft zukünftig viel, viel stärker austauschen, denn die haben ein wahnsinnig großes Know-how darum, wie quasi Stoffe oder Dinge wiederaufgearbeitet werden können und welche unterschiedlichen Recyclingformen gibt’s. Weil, wenn man sich dort mal so ein bisschen umschaut, dann hat man vor allen Dingen so die Wiederverwendung von Dingen, wie kann man verschiedene Methoden, Verfahren eventuell wiederverwenden, wie kann man sie upcyceln. Ein sehr, sehr populärer Begriff, ist in den letzten Jahren auch in diesem Bereich dieser Circular Economy, dass man quasi so geschlossene Werkstoffkreisläufe hat. Vielleicht gilt das auch so für Unternehmen? Das ist eine ganz, ganz interessante Sache, die noch gar nicht so stark, glaube ich, durchdrungen ist, aber die, glaube ich, desto mehr man exnoviert, ist auch dieses Wiederverwerten und Wiederverwenden von so Unternehmensbestandteilen eine ganz, ganz große Fragestellung, mit der sich Innovationsmanager vielleicht auseinandersetzen müssen, da sie nicht nur ständig nach vorne denken, das Neue, das immer Bessere wollen, sondern auch sich Fragen stellen müssen: Wie gehen wir mit dem Alten um und wie arbeiten wir eventuell das Alte wieder auf oder ein? Das ist, ganz offen gesprochen, so ein Bereich, der für uns sehr, sehr spannend ist und über den es sich sehr lohnt, vielleicht nachzudenken zukünftig im Bereich des Innovationsmanagements.

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