Peter von Aspern: Eingangs hast zu erzählt, dass bei der Bewertung der Trends neben den zwei Kriterien Reifegrad und Relevanz ein drittes Kriterium abgefragt worden ist, und zwar das der Kompetenz. Wir redeten gerade über zukünftig relevante Kompetenzen. Was hat die Dimension der Kompetenzbewertung für Ergebnisse hervorgebracht? Interessant ist immer, wie im Querschnitt Innovationsverantwortliche aus dem Mittelstand ihre eigenen Kompetenzen im Bezug auf Trends bewerten. Was waren da Highlights und Felder mit größeren Gaps und Nachholbedarf?
Torsten Rehder: Generell ist der Mittelstand aus der Außenwahrnehmung vielleicht etwas zu streng mit sich ins Gericht gegangen. Die durchschnittlichen Kompetenzwerte lagen im Spektrum von 2,44 bis 3,78 auf einer Skala von Maximal 6. Der Mittelstand hat sich im Bereich Cybersecurity die höchste Kompetenzeinschätzung gegeben. Die lag bei 3,78, was auch nicht so hoch ist. Wie gesagt sind die da vielleicht etwas streng mit sich ins Gericht gegangen. Ich glaube, sie wissen gar nicht, was sie alles wissen. Bei Cybersecurity haben sie sich die höchste Kompetenzeinschätzung gegeben. Bei (?HI) Organisation ist die zweithöchste Kompetenzeinschätzung. Purpose Driven Organisation ist in den Top five. Direct to consumer aufgerundet 3,5. Das meinte ich vorhin. Man kann sagen, das sind die guten alten mittelständlerischen Tugenden. Sie sind nah am Kunden, haben langfristige Kundenbeziehung, sind sehr kundenorientiert. Sie stellen den Kunden in den Fokus und innovieren aus dem Kundenbedürfnis heraus stark. Das sieht man bei den Zulieferern stark. Was braucht BMW zukünftig? Das delivere ich. Sie innovieren weniger aus Technologieseite heraus. Viele Mittelständler sind nicht in großen Metropolregionen, sondern an Orten, wohin man mit Anreizmechanismen erstmal die Arbeitskräfte hinbringen muss. wenn man dann alte Entscheidungs- und Führungsstrukturen hat, ist es ein Abturner. Man kann nicht alles mit Gehalt lösen, sondern muss sagen, ob man moderne Arbeitsstrukturen, Home Office Möglichkeiten, die Möglichkeit, Arbeit und Familie unter einen Hut zu bringen bietet. Das sind alles klassische Stellschrauben, die der Mittelstand seit jeher immer einsetzt. Wo traut sich der Mittelstand bisher am wenigsten zu? Die schlechtesten fünf sind die beispielsweise die Advanced Network Technologies. Darunter fällt 5G. da habe ich mich sehr gewundert. Es deckt sich mit unserer Wahrnehmung. Wir sehen sehr viele Potentiale in der 5G Technologie und der Möglichkeit, ein Campus Netzwerk aufzubauen. Ich kann als Unternehmen mein eigenes Funknetzwerk aufbauen und dadurch Maschinen miteinander vernetzen. Das ist großes Potentialfeld. Der Markt ist aber sehr intransparent. Die Anbieter dort wie Telekom, Vodafone haben ihre Programme. Ich glaube, da ist aber starke Luft nach oben. Für den Mittelstand gibt es kaum Möglichkeiten, einen Piloten zu starten. Ich probiere das mal aus. Wie fühlt sich 5G an? Das ist ein sehr abstraktes Thema. Das mittelstandskompatibler zu machen ist eine große Herausforderung. Wir brauchen im Gegensatz zu anderen Meinungen in der Politik bin ich fest überzeug, dass wir an jeder Milchkanne 5G brauchen. Es ist großes Thema im Bereich Automatisierung, Schlüsseltechnologie. Daher muss da zwangsläufig Kompetenzaufbau stattfinden. Es ist keine Hol- sondern auch eine Bringschuld. Man muss Initiativen haben und sagen, wie man das Thema näher an den Mittelstand heranbringt. Wir zeigen die Potentiale auf, geben die Möglichkeit, mit geringen Kosten Sachen zu pilotieren und die Vorteile sichtbar zu machen.
Sebastian Metzner: Du sagst, der Mittelstand ist mit sich selber hart ins Gericht gegangen, Thorsten. Wie ist deine Einschätzung aus der externen Perspektive? Wie gut aufgestellt siehst du den Mittelstand im Umgang mit Trends?
Torsten Rehder: Der Mittelstand kann ziemlich viel in eine Waagschale werfen, wo es anderen Unternehmen schwerer fällt, Innovationsmanagement oder Trendmanagement in Kombination mit Innovationsmanagement überhaupt zu etablieren. Allein von der Unternehmenskultur hast du eher eine überschaubarere Steakholderkultur. Eigentum und Leitung liegt im Mittelstand häufig in der selben Hand. Das meinte ich mit Familienunternehmen. Wenn die die Zeichen der Zeit erkannt und es verstanden haben, dann geht es schnell. Du hast kurze Entscheidungswege, schnelle Entscheidungsprozesse. Bei agiler Organisation ist der Mittelstand sehr weit vorne. Es fällt ihnen sehr leicht, wenn sie etwas machen wollen. Sie haben im Umgang mit Mitarbeitern, Kunden und Geschäftspartnern eine hohe Verantwortung und starke Kundennähe. Sie sind immer sehr nah dran und haben ihre Sensoren sehr gut ausgestreckt. Es fehlt dem einen oder anderen höchstens, das systematisch in einem Frühwarnsystem zusammenzubringen, um es von den einzelnen Köpfen zu entkoppeln. Wir versuchen das Wissen zu kollektivieren und haben einen Prozess dahinter, der eine permanente Beschäftigung mit der Zukunft ermöglicht und nicht ad hock, dass ein Thema aufkommt, das heißer zu werden scheint. Jetzt müssen wir uns periodisch darum kümmern. Man hat wirklich eine Permanenz in der Trendbeobachtung und der Zukunftsantizipation. Das ist noch nicht so weit verbreitet. Bei vielen Mittelständlern ist die Angst immer, sich ein unglaubliches Ressourcen Brett ans Bein zu binden. Das ist tatsächlich aber nicht so. Trendmanagement kann man sehr groß und breit, aber auch sehr pragmatisch zielführend mit einem überschaubaren Ressourceneinsatz machen. Das ist meine Wahrnehmung.
Peter von Aspern: Das ist genau unser Anspruch, bei unseren Kunden die passgenaue Lösung zu implementieren und da zielgerichtet und effektiv vorzugehen. Das Trendradar, was ihr euch downloaden und anschauen könnt, ist ein ganz wichtiges Artefakt im Bereich Trendmanagement. Das Mittelstandstrendradar repräsentiert natürlich einen Querschnitt. Wir haben auf unterschiedliche Unternehmen geschaut. Die 150 Teilnehmer kommen aus unterschiedlichen Unternehmen und Märkten mit verschiedenen Hintergründen. Es ist trotzdem sehr interessant, welchen Querschnitt an Trendthemen man da aufdecken kann. Es ist sicherlich zentral, dass der nächste Schritt sein sollte, sich ein eigenes Trendradar zu bauen. Wenn man Mittelständler oder sogar BDI-Mitglied ist, bin ich mir sicher, dass ein eigenes Trendradar sicher nicht anders aussehen würde, als das hier in der Studie, weil die eigenen Perspektiven und der Markt, in dem man unterwegs ist, total zentral sind, um so einen Trendradar herzuleiten. Es macht einen Unterschied, wie du dann die Trends bewertest.
Torsten Rehder: Absolut. Dazu muss man sagen, dass die Arbeit erst richtig losgeht, wenn ich ein fertiges Trendradar habe, da ich dann die richtige Ableitung treffen muss. Wenn ich die Trends nur priorisiert habe und weiß, auf welche ich mich konzentrieren muss und bei welchen ich noch ein halbes Jahr warten kann, ist es die eine Seite. Die andere ist, was Act heißt? Was konkret muss ich machen? Warum ist der Trend in Act gelandet? Was sind Use Cases und Szenarien, die ich für die Bewertung im Hinterkopf hatte? Das ist das spannende, das Radar in nächsten Schritten zu nehmen, die Act Trends konkret nach Grund zu hinterfragen. Überwiegen da Chancen oder Risiken? Welcher Bereich ist hier im Unternehmen besonders betroffen? Ist es ein Produktionstrend? Zahlt er vor allem auf die Strategie oder HR ein? Das ist auch ganz wichtig. Dann wird die Ableitung immer konkreter und individueller und wirkungsvoller für das Unternehmen selbst.