Peter von Aspern: Wie sind denn Monopole im Hinblick auf Innovation ökonomisch zu bewerten? Sind Monopole per se immer etwas Schlechtes, nicht Gewünschtes, oder können Monopole durchaus auch innovativ sein?
Henning Vöpel: Es hängt davon ab, ob sie tatsächlich contestable sind, ob es angreifbare Monopole sind, ob du Marktzutrittsbarrieren hast oder nicht. Also bei Monopolen, die sich verteidigen müssen, sehen wir tatsächlich, dass sie gar nicht so wenig innovativ sind, sondern dass diese Verteidigungsposition manchmal dazu führt, dass diese Monopole sogar innovativer sind als wettbewerbliche Märkte. Denn als Monopolist hast du mehr Mittel zur Verfügung und gleichzeitig musst du die möglichen eintretenden Unternehmen abwehren und im Grunde bist du auch gezwungen, Innovation durchzusetzen und zu erzeugen. Und deshalb sieht man manchmal unter bestimmten Marktbestimmungen den Zusammenhang, dass Monopole manchmal gar nicht so wenig innovativ sind.
Peter von Aspern: Wir sehen also, dass Monopole durchaus innovativ sein können. Wann aber werden Monopole tatsächlich zu einem Problem? Also erst dann, wenn sie ihre Marktmacht missbrauchen und beispielsweise neuen Anbietern den Zugang zum Markt verwehren?
Henning Vöpel: Genau. Also wenn dieses Monopol gesichert ist, also nicht mehr contestable oder angreifbar, dann brauchst du dich auch nicht mehr anstrengen, sondern dann hast du deine Marktposition. Du verteidigst das Monopol, weil die Markteintrittsbarrieren wahnsinnig groß sind. Und ich finde, dass du gerade bei diesen Plattformunternehmen jetzt zwei ambivalente Entwicklungen hast: Einerseits werden die Plattformen größer, die Marktmacht wird größer, es wird immer schwieriger, Google noch herauszufordern. Umgekehrt muss man sagen, dass die Markteintrittskosten aber auch gering sind. Wenn Facebook jetzt schwächelt oder einen Skandal hat, könntest du relativ schnell alternative Plattformen vielleicht sogar groß machen. Und zwei Dimensionen finde ich noch ganz wichtig: Das Eine ist, dass die Plattformen mittlerweile auch untereinander konkurrieren.
Peter von Aspern: Hast du da ein Beispiel?
Henning Vöpel: Also ganz interessant finde ich es beim Payment: Man kann sich vorstellen, dass Google Payment macht, dass Facebook Payment macht. Mit Libra haben die ihr eigenes Payment. Der Wettbewerb funktioniert jetzt auch gar nicht mehr vertikal, sondern auch zwischen den Plattformen. Und der zweite Aspekt, den ich auch noch wichtig finde, ist, dass Innovationen gar nicht durch Google oder Amazon passieren, sondern auf Google und Amazon.
Peter von Aspern: Das ist ein ganz interessanter Punkt. Tatsächlich ist auch Apple gerade mit seinem App-Store in der Diskussion in den USA und auch hierzulande, weil einige Unternehmen sich dagegen wehren, diese Apple Tax von 30 Prozent der Erlöse aus dem App-Store an Apple abführen zu müssen. Auf der anderen Seite muss man aber auch sagen, dass der App-Store im Grunde Millionen von Entwicklern einen Marktzugang zu Endkunden gebracht hat, den sie so auch nie gehabt hätten.
Henning Vöpel: Eben. Also die Abhängigkeit hat klar zugenommen. Also wer nicht auf Amazon ist, hat es schon schwierig. Umgekehrt haben natürlich auch ganz viele überhaupt Sichtbarkeit darüber erlangt. Sonst hattest du Abhängigkeiten, auch Machtstrukturen, weil du Lieferverträge abschließen musstest. Und dann gab es entlang der Lieferkette eine Marktmacht und die hat dich nicht heran oder vorbei gelassen. Und jetzt ist es viel einfacher und hat Transparenz erzeugt. Natürlich hat es auch Abhängigkeit erzeugt, weil du im Moment bei Amazon und vielleicht noch bei einigen anderen sein musst, aber das war es. Deshalb finde ich, dass diese Frage von Regulierungen von Plattformen eine gewisse Ambivalenz hat. Also sie haben natürlich einerseits eine unglaubliche Effizienz: Also wo können Daten effizient ausgetauscht werden? Das findet auf Plattformen statt. Und da finden die Netzwerkeffekte statt, also hast du natürlich auch fast zwangsweise große Plattformen, marktmächtige Plattformen. Die Frage ist, ob du die privatwirtschaftlich lässt. Es gibt auch Überlegungen, ob du die genossenschaftlich machst oder vielleicht staatliche Plattformen schaffst. Ein weiterer Punkt ist die Interoperationalität zwischen Plattformen: Also Google muss gewährleisten, dass du anschlussfähig zu anderen Plattformen bist, dass du also andere Plattformen zulässt. Du willst sie gar nicht kleiner machen oder zerschlagen, was im Moment in den USA jetzt auch wieder hervorgekommen ist. Also die Zerschlagung von großen Plattformen sehe ich kritisch, weil es auch viel, viel Effizienz zerstört. Ich glaube deshalb, dass die Herstellung der Interoperationalität ein wichtiger Punkt wäre, damit Amazon nicht sagen kann, dass sie diesen Händler oder diese Plattform nicht erlauben, sondern dass du eine Architektur, einen Markt von verschiedenen Plattformen hast, die auch nebeneinander koexistieren können. Ich glaube, dass man das als Gesetzgeber sicherstellen muss.