Plattform Innovatoren mit Henning Vöpel vom HWWI

Innovationsverantwortliche müssen sich die Frage stellen, ob Teile ihre Kerngeschäfts zur Plattform werden sollen. Wir fragen uns, sind sie Fluch oder Segen? Für ein klares Urteil sollten Innovationsmanager sich gezielt mit den Vor- und Nachteilen der Plattformen beschäftigen.

  • Plattformen sind ambivalent, sie schaffen Marktzugänge und neigen zur Monopolbildung

  • Können Monopole auch innovativ sein?

  • Plattformen und Marktplätze

  • Gelten im Bereich der B2B-Plattformen die gleichen Vor- und Nachteile, die wir bei den B2C-Medien sehen?

  • Beispiel Predictive Maintenance

  • Transaktionszentrierte Plattformmodelle im B2B-Bereich

Peter von Aspern
Director Trend Services, TRENDONE Hamburg

Sebastian Metzner
Chief Strategy Officer, TRENDONE Berlin

TRENDONE Cover Podcast #12 Plattform Innovatoren mit Henning Vöpel vom HWWI

B2B-Plattformen sind ein großes Zukunftsthema, das durch die Industrie getrieben wird, die sich die Frage stellt: Sollen wir zur Plattform werden?

Transkription Podcast-Episode #12 Plattform Innovatoren mit Henning Vöpel | HWWI vom 04.11.2020 | 48 Min.

Sebastian Metzner: Unser heutiges Thema lautet Plattform-Innovatoren, denn Innovationsverantwortliche müssen sich die Frage stellen, ob sie Teile ihres alten Kerngeschäfts zur Plattform machen wollen. Keine leichte Antwort, denn Plattformen sind kontrovers. Wir fragen uns: Sind sie Fluch oder Segen? Für ein klares Urteil sollten Innovationsmanager sich gezielt mit den Vor- oder Nachteilen der Plattform beschäftigen. Aber Achtung: Die Unterschiede zwischen B2B- und B2C-Plattformen sind gravierend. Welche strategischen Optionen bei der Transformation in Betracht kommen, beleuchten wir am Ende des Podcasts. Also mitten rein in Folge zwölf. Herzlich willkommen bei Folge zwölf des Innovation-geht-anders-Podcasts. Heute mit mir, Sebastian Metzner aus Berlin und in Hamburg:

Peter von Aspern: Peter von Aspern. Hallo und vielen Dank, dass ihr wieder dabei seid. Heute geht es in der Folge zwölf um das Thema Plattform-Innovatoren: Fluch oder Segen?

Sebastian Metzner: Ein sehr, sehr gutes Thema und ein sehr aktuelles Thema. Ausgangspunkt, Peter, weshalb wir das Thema ein Stück weit auf die Agenda genommen haben, waren die Kartellrechtsverfahren in den USA. Was ist da genau passiert?

Peter von Aspern: Also es gibt tatsächlich gerade in den USA und auch hier in Europa Diskussionen rund um die große Macht und den wirtschaftlichen Einfluss der GAFA-Unternehmen, also Google, Amazon, Facebook und Apple. Und da gab es jetzt zum einen einmal die Diskussion rund um Apple mit seinem App-Store, wo Anbieter dagegen aufbegehrt haben, diese 30 Prozent Apple Tax zu zahlen, die man zahlen muss, wenn man im Apple-Store gelistet werden möchte. Und zum anderen gibt es beispielsweise auch immer wieder Diskussionen rund um Amazon mit seinem Marketplace, wo Amazon selbst auch als Anbieter unterwegs ist und da unter anderem auch Anbieter verdrängt, wenn Amazon sich entscheidet, selbst Artikel zu listen.

Plattformen sind ambivalent, sie schaffen Marktzugänge und neigen zur Monopolbildung

Sebastian Metzner: Plattformen im Allgemeinen sind aus meiner Sicht vollkommen zu Recht immer wieder im Zentrum der Kritik, weil Plattformen auf der einen Seite durchaus sehr kritisch gesehen werden müssen: Der Hang zu den natürlichen Monopolen, die sie durch ihre Netzwerkeffekte einnehmen wollen, ist auf jeden Fall sehr, sehr stark und dadurch natürlich auch die Neigung zur Wettbewerbsverzerrung. Und auch ein sehr, sehr wichtiger Fakt am Anfang ist, dass sie auf der anderen Seite auch eine sehr, sehr positive Seite haben. Du hast gerade am Beispiel des App-Stores gesagt, dass auf jeden Fall einer Vielzahl von Innovatoren überhaupt erst mal der Marktzugang geschaffen wurde. Dass sie dafür dann 30 Prozent Apple Tax zahlen müssen, ist nochmal durchaus sehr kritisch zu sehen. Aber die positive Seite der Medaille ist, dass sie diesen Marktzugang schaffen, den es zuvor nie gegeben hat. Google, Peter, ist nochmal eine ähnliches Beispiel: Lass uns darauf nochmal eingehen, denn auch Google hat diese Ambivalenz zwischen der guten und der schlechten Seite.

Peter von Aspern: Also anhand Google kann man das tatsächlich sehr gut illustrieren: Google ist tatsächlich ein fast schon klassischer Monopolist mit an die 90 Prozent Marktanteil im Suchmarkt in Deutschland. Das muss man sich mal vorstellen: 90 Prozent Marktanteil, also im Grunde Alleinherrscher auf dem Markt. Und im Zuge dieser Marktmacht muss man auch tatsächlich diese Diskussion, die du gerade angerissen hast, sehr kritisch sehen, dass Google als Suchmaschine auf vielen Geräten vorausgewählt ist und Google dafür auch diesen Herstellern Geld zahlt. Das ist genau dieses Thema des kritischen Betrachtens von diesen Plattformen, wo Marktmacht möglicherweise tatsächlich ausgenutzt wird. Auf der anderen Seite muss man aber auch sagen, dass Google natürlich auch ein Innovationstreiber ist und disruptive Technologien nach vorne bringt über Google X, wo sie beispielsweise auch über 450 Millionen Dollar in DeepMind investiert haben, die hinter der AlphaGo stecken.

Sebastian Metzner: Die Erschaffer von AlphaGo, dem bekannten Künstliche-Intelligenz-Algorithmus. Dieses Plattform-Thema ist für uns insofern relevant, da sich natürlich eine Vielzahl von Innovationsverantwortlichen immer mit der Frage auseinandersetzen: Sollen wir zur Plattform werden oder ist es für uns relevanter, im alten Kerngeschäft zu bleiben? Deswegen haben wir uns dieses Thema einmal vorgenommen und wollen im ersten Teil des Podcasts ein Stückchen weit die Vor- und die Nachteile nochmal mit euch durchgehen. Das ist ganz, ganz wichtig, denn ihr habt es schon ein bisschen an unserer Einleitung gemerkt: Plattformen sind etwas sehr Ambivalentes, etwas sehr, sehr Kontroverses. Es sprechen immer sehr, sehr viele Vorteile dafür. Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch viele kritische Themen, die dort beleuchtet werden müssen. Im zweiten Teil des Podcasts wollen wir euch ein Stück weit mitnehmen in die B2B-Plattformen-Welt. Peter, vielleicht erzählst du dazu kurz noch etwas.

Peter von Aspern: Da ist auf jeden Fall sehr, sehr spannend, dass in der B2B-Plattformen-Welt Plattformen zum Teil ganz anders funktionieren als bei den GAFA-Unternehmen. Und in der B2B-Welt gibt es verschiedene Plattformtypen: Also es gibt datenzentrierte Plattformen und transaktionszentrierte Plattformen. Diese beiden Typen schauen wir uns an und wir erzählen euch auch, welche Beispiele es für diese Plattformtypen gibt und welche Strategien hinter diesen Plattformansätzen stehen.

Sebastian Metzner: Genau, denn am Ende werden wir euch ein Stück weit noch ein paar strategische Optionen vorstellen, die Unternehmen natürlich wahrnehmen können, wenn sie sich mit der Frage auseinandersetzen: Sollen wir zum Plattformanbieter werden? Denn wenn man diese feinen Unterschiede genau verstanden hat, dann ist die Entscheidung, ob das Plattform-Thema für sie eine Alternative ist, für viele Unternehmen ein Stückchen weit klarer. Und um die Hintergründe näher zu beleuchten und die Fakten ein Stück weit besser einzuordnen hat Peter in der vergangenen Woche ein Gespräch mit Professor Vöpel geführt.

Peter von Aspern: Henning Vöpel ist Direktor des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts und damit Nachfolger von Thomas Straubhaar. Und er sucht auch genau wie Thomas Straubhaar als Wissenschaftler die Öffentlichkeit, also ist er auch bei Xing, in der Welt oder im Handelsblatt regelmäßig präsent und auch schon mal in den Tagesthemen. Ich persönlich finde sehr wichtig, dass man entsprechend auch als Ökonom in der Öffentlichkeit stattfindet und dabei hilft, Dinge einzuordnen. Und genau aus dem Grund habe ich mich mit ihm unterhalten und er hat uns spannende Einblicke gegeben hinter die ökonomischen Triebkräfte der Plattform-Ökonomie, also welche Mechanismen eigentlich wirken, warum Plattformen dazu tendieren, so groß zu werden und was auch regulatorische Ansätze sein können, um mit Plattformen in Zukunft umzugehen.

Sebastian Metzner: Schön. Dann mitten rein in das Gespräch mit Henning Vöpel.

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Können Monopole auch innovativ sein?

Peter von Aspern: Wie sind denn Monopole im Hinblick auf Innovation ökonomisch zu bewerten? Sind Monopole per se immer etwas Schlechtes, nicht Gewünschtes, oder können Monopole durchaus auch innovativ sein?

Henning Vöpel: Es hängt davon ab, ob sie tatsächlich contestable sind, ob es angreifbare Monopole sind, ob du Marktzutrittsbarrieren hast oder nicht. Also bei Monopolen, die sich verteidigen müssen, sehen wir tatsächlich, dass sie gar nicht so wenig innovativ sind, sondern dass diese Verteidigungsposition manchmal dazu führt, dass diese Monopole sogar innovativer sind als wettbewerbliche Märkte. Denn als Monopolist hast du mehr Mittel zur Verfügung und gleichzeitig musst du die möglichen eintretenden Unternehmen abwehren und im Grunde bist du auch gezwungen, Innovation durchzusetzen und zu erzeugen. Und deshalb sieht man manchmal unter bestimmten Marktbestimmungen den Zusammenhang, dass Monopole manchmal gar nicht so wenig innovativ sind.

Peter von Aspern: Wir sehen also, dass Monopole durchaus innovativ sein können. Wann aber werden Monopole tatsächlich zu einem Problem? Also erst dann, wenn sie ihre Marktmacht missbrauchen und beispielsweise neuen Anbietern den Zugang zum Markt verwehren?

Henning Vöpel: Genau. Also wenn dieses Monopol gesichert ist, also nicht mehr contestable oder angreifbar, dann brauchst du dich auch nicht mehr anstrengen, sondern dann hast du deine Marktposition. Du verteidigst das Monopol, weil die Markteintrittsbarrieren wahnsinnig groß sind. Und ich finde, dass du gerade bei diesen Plattformunternehmen jetzt zwei ambivalente Entwicklungen hast: Einerseits werden die Plattformen größer, die Marktmacht wird größer, es wird immer schwieriger, Google noch herauszufordern. Umgekehrt muss man sagen, dass die Markteintrittskosten aber auch gering sind. Wenn Facebook jetzt schwächelt oder einen Skandal hat, könntest du relativ schnell alternative Plattformen vielleicht sogar groß machen. Und zwei Dimensionen finde ich noch ganz wichtig: Das Eine ist, dass die Plattformen mittlerweile auch untereinander konkurrieren.

Peter von Aspern: Hast du da ein Beispiel?

Henning Vöpel: Also ganz interessant finde ich es beim Payment: Man kann sich vorstellen, dass Google Payment macht, dass Facebook Payment macht. Mit Libra haben die ihr eigenes Payment. Der Wettbewerb funktioniert jetzt auch gar nicht mehr vertikal, sondern auch zwischen den Plattformen. Und der zweite Aspekt, den ich auch noch wichtig finde, ist, dass Innovationen gar nicht durch Google oder Amazon passieren, sondern auf Google und Amazon.

Peter von Aspern: Das ist ein ganz interessanter Punkt. Tatsächlich ist auch Apple gerade mit seinem App-Store in der Diskussion in den USA und auch hierzulande, weil einige Unternehmen sich dagegen wehren, diese Apple Tax von 30 Prozent der Erlöse aus dem App-Store an Apple abführen zu müssen. Auf der anderen Seite muss man aber auch sagen, dass der App-Store im Grunde Millionen von Entwicklern einen Marktzugang zu Endkunden gebracht hat, den sie so auch nie gehabt hätten.

Henning Vöpel: Eben. Also die Abhängigkeit hat klar zugenommen. Also wer nicht auf Amazon ist, hat es schon schwierig. Umgekehrt haben natürlich auch ganz viele überhaupt Sichtbarkeit darüber erlangt. Sonst hattest du Abhängigkeiten, auch Machtstrukturen, weil du Lieferverträge abschließen musstest. Und dann gab es entlang der Lieferkette eine Marktmacht und die hat dich nicht heran oder vorbei gelassen. Und jetzt ist es viel einfacher und hat Transparenz erzeugt. Natürlich hat es auch Abhängigkeit erzeugt, weil du im Moment bei Amazon und vielleicht noch bei einigen anderen sein musst, aber das war es. Deshalb finde ich, dass diese Frage von Regulierungen von Plattformen eine gewisse Ambivalenz hat. Also sie haben natürlich einerseits eine unglaubliche Effizienz: Also wo können Daten effizient ausgetauscht werden? Das findet auf Plattformen statt. Und da finden die Netzwerkeffekte statt, also hast du natürlich auch fast zwangsweise große Plattformen, marktmächtige Plattformen. Die Frage ist, ob du die privatwirtschaftlich lässt. Es gibt auch Überlegungen, ob du die genossenschaftlich machst oder vielleicht staatliche Plattformen schaffst. Ein weiterer Punkt ist die Interoperationalität zwischen Plattformen: Also Google muss gewährleisten, dass du anschlussfähig zu anderen Plattformen bist, dass du also andere Plattformen zulässt. Du willst sie gar nicht kleiner machen oder zerschlagen, was im Moment in den USA jetzt auch wieder hervorgekommen ist. Also die Zerschlagung von großen Plattformen sehe ich kritisch, weil es auch viel, viel Effizienz zerstört. Ich glaube deshalb, dass die Herstellung der Interoperationalität ein wichtiger Punkt wäre, damit Amazon nicht sagen kann, dass sie diesen Händler oder diese Plattform nicht erlauben, sondern dass du eine Architektur, einen Markt von verschiedenen Plattformen hast, die auch nebeneinander koexistieren können. Ich glaube, dass man das als Gesetzgeber sicherstellen muss.

Die Tendenz zu natürlichen Monopolen

Peter von Aspern: Und wie siehst du das, dass einige Plattformen in bestimmten Domänen schon zu natürlichen Monopolen tendieren? Also zum Beispiel die professionellen Berufsnetzwerke wie LinkedIn und Xing: LinkedIn ist weltweit in nahezu allen Märkten Marktführer. Ich glaube, dass Deutschland und Japan die Länder waren, wo Xing nicht Marktführer ist, wobei das gefühlt hierzulande auch schon ein bisschen wegkippt und LinkedIn immer stärker wird. Es kann natürlich auch sinnvoller sein, eine Plattform zu haben, wo man all seine beruflichen Kontakte pflegt, als 17 verschiedene.

Henning Vöpel: Absolut. Das ist der große Vorteil von Plattformen, gerade weil sie dann Netzwerkeffekte natürlich ausnutzen. Und das Interessante ist natürlich auch, dass viele Plattformen sogenannte zweiseitige Märkte sind. Also wir haben auf der einen Seite die Nutzerseite und auf der anderen Seite die Werbeseite oder die Unternehmenskunden, die dann Werbung schalten. Und das Interessante, was ich auch immer mit meinen Studenten mache, ist folgendes: Es ist ein zweiseitiger Markt und wir können zwei Preise setzen, einen Preis gegenüber den Usern und einen Preis gegenüber den Unternehmen. Und die optimale Lösung ist natürlich, dass der Preis gegenüber den Usern null ist, weil du dann maximale Netzwerkeffekte erzeugst auf der User-Seite. Das wiederum kannst du nutzen, um auf der anderen Marktseite einen maximalen Preis zu setzen für werbetreibende Unternehmen. Und dieses Zusammenspiel ist schon ganz spannend.

Plattformen und Marktplätze

Peter von Aspern: Wenn wir uns mal so große digitale Plattformen anschauen wie LinkedIn oder Amazon, dann haben die einiges gemeinsam, also beide sind digitale Plattformen beziehungsweise Amazon ein Marktplatz. Aber es gibt auch einen großen Unterschied, denn Amazon ist auf seinem eigenen Marktplatz auch Anbieter. Man kann das vielleicht ein bisschen vergleichen mit einem Edeka, was auch ein Marktplatz ist, also ein Supermarkt, auf dem viele Markenhersteller ihre Artikel anbieten. Aber Edeka ist da natürlich auch selbst als Anbieter unterwegs mit den Eigenmarken. Würdest du sagen, dass das vergleichbar ist oder ist das schon ein schwieriger Umstand, dass Unternehmen, die Marktplätze betreiben, dort auch gleichzeitig als Anbieter unterwegs sind?

Henning Vöpel: Das ist es definitiv, weil du natürlich all die Informationen und Daten monopolisierst. Und die kannst du natürlich nutzen, um Eigenmarken zu platzieren. Du kannst sagen: “Das kommt ganz gut an, wir können das billiger herstellen, wir imitieren das Produkt vielleicht, labeln das anders, das heißt jetzt Amazon, und nehmen die Preisinformationen sowie die Zahlungsbereitschaft und Produktqualitäten. Wir wissen auch, was läuft, wir wissen, was den Kunden wichtig ist und was bestellt wird. Und diese Monopolisierung der Information kann dazu führen, dass du im Grunde dann die Marge auch nochmal weg ziehst von all den Händlern und Anbietern auf deiner Plattform. Und das ist natürlich auch ein ganz wichtiger Aspekt der Regulierung, also dass du genau diese Informationen nicht monopolisierst, weil das natürlich Marktmacht erzeugt. Natürlich kannst du im Grunde die Konsumenten, weil du deren Zahlungsbereitschaft kennst. Du kannst Marge abziehen von anderen Anbietern und Produzenten. Und das ist schon ein gewichtiges Argument und da müsste man regulatorisch eingreifen und sagen, dass es um Daten geht und dass die Innovationsfähigkeit von Plattformen letztlich auch dahintersteckt. Also geht es nicht nur um diese Interoperationalität, sondern auch darum, gewisse Daten dann auch allen zur Verfügung zu stellen.

Peter von Aspern: Ja, das scheint das Grundsatzproblem zu sein. Also bei Amazon beispielsweise gibt es auch einige nachgewiesene Fälle, wo Amazon seine Daten dafür ausgenutzt hat, um zu gucken, welche Artikel auf dem Marketplace, also dem Ort, wo Drittanbieter bei Amazon auch anbieten können, sehr gut gelaufen sind und hat die dann einfach schlichtweg selbst in das eigene Portfolio aufgenommen und so Marketplace-Anbieter auch systematisch wieder herausgedrängt. Google ist auch so ein Beispiel, wo man einen Konflikt mit Yelp beobachten konnte. Diese bieten als Plattform Restaurantbewertungen an und Google wollte gerne diese Yelp-Daten kostenlos bei Google Maps einbinden. Diese Idee fand Yelp natürlich nicht gut, weil es das Main Asset von Yelp ist, diese Bewertungsdaten zu haben. Und so hat Google dann selbst dieses Feature der Restaurantbewertung in Google Map aufgenommen. Apple ist ebenfalls in diesem Spiel unterwegs und natürlich auch selbst ein Stück weit Anbieter auf den eigenen Plattformen. Das sieht man beispielsweise daran, dass die Amazon-App im App-Store eine ganz lange Zeit nicht erlaubt hat, dass man dort Filme ausleihen konnte. Da musste man immer den Umweg über die mobile Website von Amazon gehen. Also sieht man auch dort, dass Apple entsprechend versucht, solche Services zu unterdrücken. Man kann also eigentlich schon sagen, dass fast alle Plattformanbieter dann auch Anbieter sind auf den eigenen Plattformen, oder?

Henning Vöpel: Ja. Und die sind tatsächlich auch zunehmend in M&A-Sachen aktiv. Die sind also gar nicht mehr selbst innovativ, sondern sie kaufen sich im Grunde diese Geschäftsmodelle dazu und dann scheint es so, als ob sie innovativ seien. Aber tatsächlich findet diese Innovation außerhalb von Google statt. Das ist natürlich auch nochmal ein wichtiger Punkt, der vielleicht kritischer zu beurteilen ist, weil diese Innovationen wahrscheinlich auch ohne Google stattfinden würden, sie aber bei Google oder anderen Plattformen andocken. Also da muss man wahrscheinlich unterscheiden zwischen plattforminduzierten Innovationen, die nur deshalb zustande kommen, weil es diese Plattform gibt, und solchen, die zwar irgendwann auf einer Plattform landen, aber nicht induziert sind, die auch sonst stattgefunden hätten.

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Quersubventionierung und Disruption der Plattformen

Peter von Aspern: Und wie siehst du das mit dem Thema Quersubventionierung? Du hattest das mit dem Thema M&A schon ein bisschen angerissen: Also Google beispielsweise nutzt seine gigantischen Monopolrenditen aus dem Suchmaschinen-Werbemarkt dafür, Innovation in ganz anderen Branchen voranzutreiben. Google ist also beispielsweise auch sehr weit im Bereich der selbstfahrenden Autos, geht da also in die Mobilitätsbranche rein. Wie würdest du das bewerten?

Henning Vöpel: Also es ist schwer, dahinter eine Strategie zu vermuten. Aber insgesamt skalieren erst mal diese Plattformen in der Breite, sie versuchen also auch im Consumer-Bereich möglichst groß zu werden. Und irgendwann gehen sie in die Vertikalen und sagen: “Ich bin im Gesundheitsbereich, im Mobilitätsbereich und plötzlich habe ich im Konsumentenbereich als Plattform eine kritische Größe übersprungen. Ich weiß so viel über meine Konsumenten und generell über deren Präferenzen, dass ich jetzt im Grunde bereit bin, die klassischen Wirtschaftszweige zwar nicht zu übernehmen, aber dort doch irgendwie Innovation hereinzubringen.” Das ist auf jeden Fall interessant und ich glaube, dass es auch hier eine gewisse Bedeutung von Plattformen gibt, genau diese Form von Innovation voranzutreiben, also erst mal die Konsumenten zu vernetzen und dann in die Vertikalen zu gehen und zu sagen: “Hier kann ich eine Lösung anbieten, dort kann ich eine Lösung anbieten.” Also das ist eine Dimension von Innovation und Innovationstätigkeit, die sehr, sehr interessant ist und die man auch unterbrechen würde, wenn man jetzt einfach Plattformen zerschlagen würde. Deshalb ist es zu kurz gedacht, Plattformen zu zerschlagen, weil sie tatsächlich eine hohe Funktionalität, eine hohe Effizienz und auch potentiell eine hohe Innovationsfähigkeit haben.

Peter von Aspern: Was würdest du denn sagen, was die Vergangenheit lehrt? Es gab immer schon mächtige Industrieunternehmen, die allmächtig und alles dominierend erschienen, aber dann auch wieder von der Bildfläche verschwunden sind. Glaubst du, dass die GAFA-Unternehmen nachhaltig Bestand haben werden oder dass sie auch irgendwann selbst disruptiert werden?

Henning Vöpel: Ich glaube, dass letzteres der Fall sein wird. Also wir sprechen natürlich jetzt auch über klassische Industriemonopole, die auch immer wieder zerbrochen sind, weil es neue Technologien gegeben hat. Das mag bei digitalen Plattformen und digitalen Monopolen ein bisschen anders sein, weil die vielleicht nicht disruptiert werden durch neue Technologien. Also Nokia und Kodak sind klassische Beispiele mittlerweile, die neue Technologien nicht mitgemacht und nicht rechtzeitig gesehen haben. Die Bequemlichkeit des Monopols hat dazu geführt, Dinge nicht auf sie zukommen zu sehen. Diese Industriemonopole sind immer wieder auch gefallen und gescheitert. Bei Digitalmonopolen bin ich mir nicht so sicher: Ich bezweifle, dass Plattformökonomie immer bedeutet, dass es zu einer einzigen Plattform konvergiert. Wir sehen mittlerweile auch durchaus eine gewisse stabile Marktsituation mit mehr als einer Plattform. Kleinere zwar, aber der Konsument kann auch zu Zalando, About You oder Otto. Die sind zweifellos kleiner, aber vielleicht sind die groß genug, um Relevanz zu behalten und nicht geschluckt zu werden. Also ich sehe diese zwingende Konvergenz zu einer Plattform, die dann am Ende übrig bleibt, nicht.

Peter von Aspern: Henning, vielen Dank für das Gespräch.

Henning Vöpel: Gerne.

Sebastian Metzner: Peter, was ist denn dein Fazit aus dem Gespräch? Was hast du mitgenommen?

Motor der digitalen Transformation

Peter von Aspern: Eine ganze Menge. Also zum einen, dass Plattformen tatsächlich gigantische Effizienzgewinne bringen und Motor der digitalen Transformation sind. Also es gibt unheimlich viele Vorteile, die Plattformen mit sich bringen: Auch den Umstand, dass es zu vielen Domänen nur eine Plattform gibt, weil das genau diese Effizienzgewinne erzeugt, und dass auch diese Logik der Netzeffekte dazu führt. Es ist also im Grunde ein Stück weit systemimmanent, dass du diese Monopolisierungs- oder Konzentrationstendenzen in diesem Plattform-Business einfach hast. Das hat der Henning Vöpel sehr gut ausgeführt. Tatsächlich sehe ich es aber auch so, dass Regulierung immer notwendiger wird, weil diese Plattformunternehmen ihre Marktmacht natürlich auch dazu ausnutzen, um ihre Marktmacht nachhaltig zu behaupten. Und wir haben gesehen, dass genau da diese Probleme auftreten, wo diese Plattformanbieter gleichzeitig auch Anbieter sind auf ihren eigenen Plattformen. Und ich glaube, dass da ein guter Ansatz liegen kann, regulatorisch einzugreifen. Also wahrscheinlich muss der Ansatz da auch liegen, weil es da tatsächlich diese nachgewiesenen Fälle der Wettbewerbsbehinderung gibt. Und das kann nicht gut sein, weil dadurch natürlich auch neuen innovativen Anbietern der Zugang zum Markt verwehrt wird. Und das ist ein gewichtiger Grund, dass Regulierung eingreifen muss. Persönlich fand ich auch den Ansatz spannend, dass man auch überlegen könnte, offene Standards zu definieren und festzulegen, die auch den Wechsel von Konsumenten und Anbietern zwischen Plattformen leichter machen. Das fand ich nochmal einen ganz interessanten Ansatz, um da genau diese Marktein-und -austrittsbarrieren ein bisschen wegzunehmen.

Sebastian Metzner: Wenn ich mir das Thema anschaue, fällt mir ebenfalls auf, dass die klare Meinung und die Haltung schwerfällt. Hier liegt Licht und Schatten häufig sehr, sehr nahe beieinander und es ist immer wieder ein gegenseitiges Ausnivellieren der Vor- und Nachteile. Ich glaube, dass man deswegen gar nicht zu einem eindeutigen Ergebnis kommen und sagen kann, ob das jetzt Fluch oder Segen ist. Es ist eine Mischung aus beidem, aber ich sehe es genauso wie du, dass Plattformen aktuell eher kritisch zu sehen sind, denn die großen Plattformen, die zu Monopolen neigen, machen es vor. Du hast einige Beispiele genannt. Ich glaube auch, dass reguliert werden muss. Ich glaube aber, dass noch gar nicht die Instrumente dafür entwickelt und perfektioniert worden sind, um solche Plattformen zu regulieren. Ich denke, dass hier das Instrumentarium ein Stück weit hinterher hängt, weil wir immer noch über das Thema Zerschlagen sprechen. Und das sind meiner Meinung nach Dinge, die aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts kommen, dass man hier mit solchen Mitteln agieren will. Ich glaube, dass es hier zu intelligenteren und vielleicht auch technologischeren Lösungen kommen kann. Ich denke, dass Technologien wie die Blockchain dafür geeignet, aber lange noch nicht reif dafür sind, hier eingesetzt zu werden. Das wäre ganz, ganz spannend, weil ich nicht glaube, dass der Markt es regeln kann. Wobei ich aber schon immer wieder zu der Einschätzung komme, wenn ich mir den Markt angucke, dass diese großen Anbieter von kleineren Anbietern, wie im Fall von ebay Mamikreisel als Beispiel, immer wieder disruptiert werden müssen. Und da fand ich halt dieses ganze Thema, dass Monopole immer wieder verteidigt werden müssen, ein sehr, sehr spannendes Thema. Ich glaube aber ehrlich gesagt nicht, dass die Großen sich so leicht aus dem Rennen werfen lassen. Peter, bei der Diskussion fällt immer wieder auf, dass wir sehr, sehr stark auf den Bereich der B2C-Plattformen fokussieren. Und in der Vorbereitung haben wir uns natürlich ein Stück weit die Frage gestellt, wie es mit den B2B-Plattformen aussieht. Das ist ein großes Zukunftsthema, mit dem wir uns immer wieder befassen, weil es natürlich gerade auch durch die Industrie getrieben wird, die sich die Frage stellt: Sollen wir zur Plattform werden? Ich würde vorschlagen, dass wir uns im Folgenden einmal die B2B-Plattformen angucken und mit der Frage starten, ob denn auch im Bereich der B2B-Plattformen die gleichen Vor- und Nachteile gelten, die wir bei den B2C-Medien sehen.

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Gelten im Bereich der B2B-Plattformen die gleichen Vor- und Nachteile, die wir bei den B2C-Medien sehen?

Peter von Aspern: Tatsächlich gibt es da einen sehr großen Unterschied, denn einer der Hauptaspekte, der diese Diskussion rund um die B2C-Plattformen wie Amazon, Google und Apple prägt, sind genau diese Netzwerkeffekte. Das heißt, dass Plattformen im Grunde umso größer werden, je größer sie sind. Also um das nochmal ganz kurz zu erklären, heißt Netzwerkeffekte, dass eine Plattform attraktiv ist, weil viele Teilnehmer auf der Plattform sind, was wiederum noch weitere Teilnehmer anzieht. Das führt genau zu diesem Effekt, dass dadurch sehr wenige sehr große Plattformen entstehen. Und diese Mechanik greift so im B2B-Kontext tatsächlich nicht. Da hast du also nicht diese ausgeprägten Netzwerkeffekte, dass einige wenige B2B-Plattformen alles dominieren, sondern dass man da sehr viele kleinere Plattformen hat. Ein weiterer Punkt ist, dass diese asymmetrische Kräfteverteilung da nicht so da ist. Also du hast im Grunde im B2B-Bereich logischerweise eher Unternehmen als Plattformanbieter und Plattformnutzer, die sich da eher auf Augenhöhe begegnen als, wenn ich jetzt beispielsweise mit Apple spreche.

Sebastian Metzner: Absolut. Also ich glaube auch, dass das Thema Plattformen aus der B2B-Ebene oder aus der B2B-Perspektive lange nicht dazu neigt, zu groß zu werden wie im B2C-Markt, weil natürlich der Anwendungs-Case, die Anwendungsszenarien viel, viel kleiner und spezifischer sind. Deswegen wirst du dort, wie auch schon aus der Historie der Lieferanten und Kundenbeziehung heraus, immer starke Kommunikation haben, die auf Augenhöhe stattfindet. Und ich denke, dass es diese dominierenden großen Plattformen es gar nicht geben wird. Wobei man sich hier, Peter, aber nochmal anschauen muss, was man im B2B-Kontext als Plattform bezeichnet. Denn das, was wir aus den B2C-Bereichen kennen, diese klassische Marktplatz-Logik wie bei deinem eingangs zitierten Amazon-Market-Beispiel, wo Anbieter auf Nachfrager trifft, ist durchaus nicht die Regel im B2B-Kontext. Lass uns deswegen gerne nochmal ein Stück weit auf die unterschiedlichen Arten der B2B-Plattformen gucken. Dort gibt es nämlich zwei unterschiedliche: Einmal die datenzentrierten Plattformen und einmal die transaktionszentrierten Plattformen. Peter, lass uns mal reingucken, was denn datenzentrierte Plattformen sind.

Peter von Aspern: Also datenzentrierte Plattformen drehen sich beispielsweise stark um das Thema Internet of Things, also Industrial Internet of Things, um genauer zu sein. Und da können dann typische Themen sein, dass man die Analyse von Maschinen- und Anlagendaten auf solchen Plattformen fährt und dadurch beispielsweise die Verfügbarkeit von technischen Anlagen deutlich erhöhen kann. Also das wäre da ein typisches Beispiel, wie solche Plattformen genutzt werden können. Also es geht im Kern darum, Maschinen stark zu vernetzen, um daraus Informationen zu generieren, die werthaltig sind und auch Grundlage eines Geschäftsmodells sein könnten.

Beispiel Predictive Maintenance

Sebastian Metzner: Ein sehr gutes Beispiel, was du herausgesucht hast, hat Continental in den letzten Jahren entwickelt, wo es um die Digitalisierung des Reifens ging, die dann wieder ein Stück weit die Basis war, dort zu einer datenzentrierten Plattform zu werden. Peter, nimm uns nochmal mit in das Conti-Beispiel.

Peter von Aspern: Also es heißt ContiConnect und funktioniert tatsächlich so, dass Reifensensoren permanent den Reifendruck und auch die Reifentemperatur der gesamten Flotte messen können und so entsprechend Informationen über den Zustand der Reifen abgeleitet werden können, also ob der Reifen bald gewechselt werden muss oder ob er noch gut ist. Das ist natürlich auch gerade im Lkw-Bereich ein wichtiges Thema. Man sieht manchmal diese geplatzten Lkw-Reifen auf der Autobahn.

Sebastian Metzner: Da frage ich mich immer, ob es sich um ein Einzelbeispiel oder tatsächlich um ein größeres Phänomen handelt.

Peter von Aspern: Also es scheint auf jeden Fall tatsächlich ein Problem zu sein, für das es sich lohnt, eine Lösung zu entwickeln. Und genau so etwas können solche Daten natürlich liefern. Das ist dann im Grunde unter Predictive Maintenance zu verorten, dass du versuchst, schon im Vorhinein Analysen zu treffen, wann der Reifen durch ist, wann er kein Profil mehr hat und wann er gewechselt werden muss, um so einfach Ausfallzeiten zu reduzieren. Und das sind natürlich aus Kundensicht ganz harte Kostenfaktoren. Wobei dann so ein digitaler Service, der um die Hardware herum gebaut wird, also ein digitaler Reifen sozusagen, einfach ein großer Nutzen sein kann. Und das wäre tatsächlich ein typisches Beispiel für eine datenzentrierte Plattform, wo also ein klassischer Hardware-Produzent entsprechend durch die Vernetzung von Informationen dann auch als Service-Anbieter auftreten kann.

Sebastian Metzner: Ich denke, dass das nochmal ein wichtiger Punkt in der Differenzierung ist. Das heißt, dass die Plattform ContiConnect, von der du gerade gesprochen hast, eine Art Service-Portal für die Nutzer dieser digitalisierten Pneus ist, die dann wiederum sehen können, wie hoch die Verschleiße sind, wann das nächste Wartungsintervall ist. Man kann das einplanen, man kann die Ausfallzeiten dadurch klein halten, man hat eine sehr, sehr gute Planungssicherheit. Und im Grunde ist es jetzt nicht eine Multi-sided Platform, wo ein Anbieter auf Nachfrager trifft, sondern eher das, was du gerade als Service-Anbieter beschrieben hast, dass Conti hier nämlich eine Art digitalen Service auf einer Art von Plattform anbietet. Schauen wir einmal auf die andere Seite: Das sind nämlich die transaktionszentrierten Plattformmodelle im B2B-Bereich. Dort hast du den Anbieter Fashion Cloud mal herausgesucht, um das ganze Thema zu unterscheiden.

Transaktionszentrierte Plattformmodelle im B2B-Bereich

Peter von Aspern: Genau. Also transaktionsbasierte Plattformen funktionieren tatsächlich gänzlich anders und sind auch näher an diesen B2C-Beispielen, die wir eingangs schon beleuchtet haben. Im Kern geht es darum, dass typischerweise neue Marktteilnehmer sich entlang einer existenten Wertschöpfungskette neu positionieren und da beispielsweise als Zwischenhändler oder Intermediär agieren und versuchen, eine zentrale Position in einem bestimmten Wertschöpfungsnetzwerk einzunehmen. Und Fashion Cloud ist dafür ein Beispiel: Das ist ein Hamburger Unternehmen, die inzwischen über 10.000 Händler weltweit mit ihrer Plattform bedienen. Und was diese Plattform konkret macht, ist, dass, sie einen lieferantenübergreifenden B2B-Webshop beinhaltet, der es den Händlern entsprechend einfacher macht, bei den vielen verschiedenen Modelabels nachzuordern, da es natürlich ein sehr fragmentierter Markt ist. Und dieser Plattform führt entsprechend diese ganzen Modelabels zusammen und stellt ein zentrales Interface für die Händler zur Verfügung, wo sie dann ordern können. Und dazu gehört natürlich auch folgende spannende Lösung: Wenn du ein Mitarbeiter auf der Fläche bist, also auf der Verkaufsfläche stehst und merkst, dass die weißen Oberhemden von Boss in Größe 39 nicht mehr da sind, dann kann sogar der Mitarbeiter direkt über diese Plattform beim Lieferanten nachordern, was natürlich die Einkaufsprozesse extrem stark vereinfacht. Und weiterer interessanter Aspekt ist, dass Fashion Cloud auch von allen Modelabels, die an dieser Plattform angeschlossen sind, die ganzen Produktfotos hostet und auch diese Artikelbeschreibung zur Verfügung stellt. Das ist auch für Webshop-Betreiber eine ganz wichtige Ressource, weil es natürlich extrem aufwändig ist, diese Daten selbst zu generieren. Von daher ist es spannenderweise sowohl für stationäre als auch für Onlinehändler eine wichtige Plattform.

Sebastian Metzner: Conti und Fashion Cloud waren jetzt zwei Beispiele: Conti eher als etabliertes Unternehmen, das sich die Frage stellt, ob sie zur Plattform werden wollen. Bei Fashion Cloud ist es so, dass sie eher ein neuer Marktanbieter sind, die direkt in das Plattform-Business eingestiegen sind. Peter, lass uns am Ende des Podcasts nochmal ein Stück weit auf die strategischen Optionen schauen, die Anbieter haben. Im Falle von Conti sind sie als klassischer Anbieter gestartet und sind zum Service-Anbieter transformiert. Kannst du uns noch ein Stück weit einordnen und erklären, was dort genau stattgefunden hat?

Transformation vom klassischen Produkt- zum Service-Anbieter

Peter von Aspern: Im Grunde ist es so, dass eine Grundvoraussetzung im Beispiel von Conti ist, dass man zum einen erst mal digitale Daten erhebt, was mit diesen Sensortechnologien gemacht wurde. Und dann ist es natürlich auch wichtig, dass man es schafft, diese operativen Daten, die durch diese Sensoren eingespeist werden, mit den business-relevanten Daten wie Vertragspartner zusammenführt. Das wird dann typischerweise über digitale Plattformen wie beispielsweise typische Cloud-Anbieter gemacht, die da natürlich ein wichtiger Partner sind. Und was es Conti ermöglicht, ist zum einen eine deutlich gestiegene Kundenbindung, dadurch dass man nicht nur einmalig Reifen verkauft, sondern eine permanente Geschäftsbeziehung aufbaut und dem Kunden im Grunde auch dabei hilft, die Reifen von Conti tatsächlich maximal effizient einzusetzen. Also ich denke, dass da dieser Aspekt der Kundenbindung ein ganz wichtiger ist. Und ein anderer Punkt ist natürlich auch, dass diese Services, die man da erbringt, gleichzeitig auch ein weiteres Erlöspotential bieten, was auch sehr stark skalieren kann, weil dem nicht zwingend die Produktion von physischen Reifen entgegenstehen muss.

Sebastian Metzner: Ein klassisches Solution-as-a-Service-Modell, das in einer Vielzahl von Industrieunternehmen schon angewendet wird: Du zahlst nicht mehr für den Reifen, sondern für den gefahrenen Kilometer oder vielleicht künftig für den nicht gefahrenen Kilometer zur CO2-Einsparung. Das ist natürlich immer wieder denkbar, hier für die reale Nutzung zu zahlen, denn dafür sind die Sensoren auch in der Lage. Also ich glaube, wie du sagst, dass da ein großes Potential ist. Und wenn ich dich richtig verstanden habe, ist die Transformation eher, dass sie bei der intelligenten Vernetzung ihrer IT-Systeme und der Entwicklung von Sensoren gestartet sind. Damit gehen sie also nicht direkt in eine Art transaktionistisches Plattformmodell, sondern transformieren sich erst mal zum Service-Provider. Hier ist dann natürlich die Frage: Können sie ausgehend vom Service-Provider auch zu einem transaktionistischen Marktplatz werden, wo Anbieter und Nachfrager aufeinandertreffen? Ich glaube, dass das auch spannend ist. Der direkte Weg ist hier aber, wenn ich dich richtig verstanden habe, nicht gewählt worden, sondern erst mal dieser Umweg oder Einstieg in diese Service-Anbieterlandschaft.

Peter von Aspern: Genau. Also das Beispiel für ein transaktionales Geschäftsmodell wäre tatsächlich eher Fashion Cloud, die als Plattformanbieter unterwegs sind und im Gegensatz zu Conti jetzt nicht diese Legacy haben, dass sie selbst auch ein Hardware-Produzent gewesen sind. Also Fashion Cloud war in dem Fall nicht selbst Modehersteller und auch kein etablierter stationärer Händler, sondern ein gänzlich neuer Player, der sich in bestehende Wertschöpfungsketten neu eingefügt hat. Und das ist auf jeden Fall auch ein sehr spannender Ansatz, wo im Grunde dieses Unternehmen seinen eigenen Markt selbst erschaffen hat und sich entsprechend darauf fokussiert, dadurch Effizienzgewinne herzustellen, dass sie als Plattform die Anzahl der Transaktionen der Händler stark bündeln und dadurch natürlich auch indirekten Nutzen stiften, aber dann auch in so einer Wertschöpfungskette langfristig eine mächtige Position einnehmen können.

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Gibt es einen direkten Weg vom klassischen Unternehmen zum disruptiven Plattformunternehmen?

Sebastian Metzner: Eine interessante Hintergrundfrage, die ich mir selber gestellt habe, ist, ob man als klassisches Unternehmen wirklich direkt zu einem disruptiven Plattformunternehmen werden kann. Ich halte das ehrlich gesagt für fast ausgeschlossen. Man muss dort wirklich ausgründen, denn wenn man sich das anschaut, sieht man, dass eine Vielzahl von Plattformunternehmen im B2B-Bereich sind neu gegründet worden. Auch die klassischen Plattformen, die wir aus dem B2C-Bereich kennen, sind alle Neugründungen, die keine Legacy hatten, wie du es gerade gesagt hast. Deswegen ist für mich ein Stück weit die Erkenntnis und die strategischen Optionen für alle etablierten Unternehmen, dass man sich entweder sehr, sehr stark in diese Service-Provider-Welt transformieren kann oder dass man selbst zu einer Art Cloud-Plattform wird und eher die Infrastruktur legt. Aber zu einem Marktplatz zu werden, wo Anbieter und Nachfrager transaktional aufeinandertreffen, ist für klassische Anbieter wirklich schwer. Hier müsste man entweder eher über eine Zukauf-Strategie denken oder über eine Ausgründung nachdenken. Ich denke, dass das aus den großen Unternehmen heraus sehr schwer ist. Wie siehst du das, Peter? Lass uns da am Ende nochmal ein Fazit ziehen.

Peter von Aspern: Ja, ich glaube, dass du das sehr gut eingeordnet hast. Bei Plattformunternehmen ist es natürlich so, dass gerade im B2B-Kontext eine gewisse Neutralität einfach wichtig ist: Fashion Cloud würde nicht funktionieren, wenn sie beispielsweise von Esprit heraus gegründet worden wären. In dem Fall würde es Tommy Hilfiger vielleicht nicht so gut finden, da seine Daten zur Verfügung zu stellen. Da spielt also dieser Neutralitätsaspekt eine große Rolle. Und spannend ist tatsächlich zu sehen, dass man, wenn man jetzt auf das Plattform-Thema im Bereich der GAFA-Unternehmen guckt, das Gefühl hat, dass diese Schlachten eigentlich schon längst geschlagen sind und Europa hier nicht noch entsprechend mit einem zweiten Amazon oder Google oder etwas wie Apple und Microsoft aufwarten können wird. Aber im Bereich B2B-Plattformen ist die Messe noch keineswegs gelesen, da gibt es noch enorm viele Spielräume und Chancenfelder, wo sich Unternehmen sowohl als Service-Anbieter, aber auch als Plattformanbieter positionieren können. Ich denke, dass es eine ganz wichtige Erkenntnis ist, dass man da immer diese B2C- und B2B-Märkte differenziert betrachten muss, weil diese Wirkmechanismen in diesen Märkten einfach unterschiedlich sind: In den B2C-Märkten haben wir, wie heute gelernt, diese starken ausgeprägten Netzwerkeffekte, die zu dieser natürlichen Monopolbildung führen. Da entstehen oftmals Probleme, wenn diese Plattformanbieter auch gleichzeitig Anbieter für bestimmte Leistungen sind und dadurch ihre Marktmacht missbrauchen und an der Stelle eine Regulierung erforderlich werden wird. Das werden wir sicherlich auch in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren weiter beobachten können, weil sich solche Prozesse sehr lange hinziehen, bis da die Regulierung aktiv wird. Und im B2B-Umfeld, Sebastian, haben wir da eine ganz andere Situation und noch viele, viele Optionen für Unternehmen.

Sebastian Metzner: Denn im B2B-Umfeld, und das ist vielleicht ein Stück weit das Schlusswort, werden die Nachteile eher zu den Vorteilen, weil die natürliche Monopolbildung nicht stattfindet und sich die unterschiedlichen Partner eher auf Augenhöhe treffen. Ich glaube, dass ist auch ein sehr, sehr schöner und spannender Ausblick in Zukunft. Ich bin wirklich gespannt, was für größere B2B-Plattformen wir in Deutschland und in Europa sehen werden. Peter, das wäre eine schöne Frage für eine Bierdeckel-Wette. Damit entlasse ich dich heute. In der nächsten Folge können wir gerne mal auflösen, was sozusagen dein Tipp ist für die nächste größere europäische Plattform. Wenn euch die Folge gefallen hat, freuen wir uns, wenn ihr in zwei Wochen wieder zuhört, denn dann wird unsere nächste Folge erscheinen. Wir veröffentlichen immer im Zwei-Wochen-Rhythmus jeweils Donnerstag. Wir freuen uns natürlich auch, wenn ihr uns gerne weiterempfehlt an Freunde und Kollegen. Habt vielen Dank für das Zuhören der Folge zwölf. Peter, dir vielen Dank für die vielen Einschätzungen und die Interviews. Und bis zum nächsten Mal.

Peter von Aspern: Ja, vielen Dank für das Zuhören. Auch nochmal vielen Dank an Herrn Professor Doktor Vöpel für das spannende Interview. Und bis zum nächsten Mal. Macht es gut.

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